HIMMELSBRIEF Es war im Jahre 1940 als Johann Pirzer seinen Einberufungsbescheid vom Postboten ausgehändigt wurde. Der junge Bauernsohn aus der Gegend von Hohenfels sollte, so
hieß es in dem Schreiben, sich im Bahnhof in Neumarkt einfinden. Der Tag kam näher. Eine alte Frau aus dem Dorf gab seiner Mutter einen Zettel den diese in seine Brusttasche der neuen Uniform einnähte. Die alte
Frau hatte ihren 5 Söhnen im ersten Weltkrieg ebenfalls jedem so einen Brief mitgegeben. Alle Söhne kamen wohlbehalten zurück. Es war einem "Himmelsbrief". In diesem stand: Maria breitet die Hände aus damit Dir nichts passiert und Jesus schickt Dir einen Schutzengel damit Dir nichts passiert. Wer an diesen Brief glaubt den wird keine Kugel tödlich treffen. Wer
daran zweifelt soll einen Hund vor sich hinstellen und soll drauf schießen. Und Johann Pirzer glaubte daran. Nach der Grundausbildung wurde er zur Infanterie versetzt und marschierte mit der Wehrmacht
nach Russland. Johann Pirzer war ein ehrenvoller Soldat und noch heute erinnert er sich mit Abscheu an einen jungen SS-Offizier der grundlos, eine am Wegesrand stehende Mutter mit ihrem Kind im Arm, mit seiner
Pistole hinrichtete. Doch dieser ehrgeizige Junge bezahlte seinen Hass alsbald mit dem Tode. Es heißt, dass ihn die eigenen Landser außer Gefecht gesetzt haben. Im Jahre 1941 hatte der junge Soldat Johann Pirzer
Erfrierungen 3.Grades. 1943 durchschlug eine Kugel seine Brust und trat hinten wieder aus. Er kämpfte weiter. Als die Lage für die kämpfende Truppe kurz vor Moskau immer aussichtsloser wurde, kamen bei den
Soldaten immer mehr Todesängste auf. Johann Pirzer und sein Kamerad Joachim Schulz aus Berlin unterhielten sich in einer kurzen Kampfpause darüber. Er erzählte ihm von seinem Brief, eingenäht in seiner
mittlerweile zerschundenen Wehrmachtsjacke und seiner vermeintlichen Unverwundbarkeit. Der preußische Kamerad lachte ihn aus und machte sich, wegen der kleinbäuerlichen Naivität seines Kameraden lustig. Johann Pirzer
sagte zu Ihm mit unmissverständlicher Ernsthaftigkeit: Wenn du zweifelst, dann such dir einen Hund, irgend einen Straßenköter, den du dann an einen Stock bindest. Dann erschießt du die arme Kreatur. Am anderen Tage war
es soweit. Viele Kameraden hatten von der ominösen Geschichte erfahren und sich in großer Anzahl versammelt um die Exekution eines Hundes mitzuerleben. Der Nebel hatte sich an diesem tristen Novembermorgen noch nicht
ganz verzogen als es so weit war. Einige Soldaten bekamen einen kleinen, halbverhungerten Mischlingshund zu fassen und banden ihn an einen Pflock. Unter den Augen der halben Mannschaft ging der Soldat
Schulz durch ein Spalier von ausgemergelten erschöpften Kämpfern, die alle gekommen waren, nur um eine "Hundehinrichtung" zu erleben und blieb in ca. 100 Meter Entfernung stehen. Er nahm sein
Gewehr, einen Karabiner K 38, und lud durch. Alles war still. Kein Laut durchdrang die Luft in dieser kalten russischen Winternacht. Es schien, als wenn sogar die Bolschewiken hinter ihrem Schützengraben und den
ausgebombten Häusern von der sonderbaren und mysteriösen Geschichte erfahren hätten. Soldat Schulz legte an und zielte. Alle Anwesenden starrten abwechselnd auf den Schützen und den angebundenen Hund. Doch
Schulz setzte schnaufend ab. Nach einer kurzen Atempause hob er seine Flinte mit einem energischen Ruck wieder in Schussposition um seine Tat zu vollenden. Nach ca. 2 Minuten setzte er erneut ab, drehte sich um und
ging wortlos davon. Und wie durch ein unsichtbares Kommando befohlen, begann das Heulen der "Stalinorgeln" und das laute Rattern der Maschinengewehre, vermischt mit den Schreien sterbender und verwundeter
Menschen und Tiere. 8 Wochen später lief Johann Pirzer geduckt durch den Schützengraben zum Kommandostand der Division. Auf halbem Wege kam ihm Joachim Schulz entgegen. Hans Pirzer hielt ihn auf. "Warum
hast du den Hund nicht erschossen?", schrie er ihn zornig fragend an. Er bekam als Antwort: " Es tut mir Leid, dass ich dir das nicht geglaubt habe. Ich konnte ihn nicht erschießen, denn jedes Mal wenn ich auf
Ihn zielte, habe ich keinen Hund gesehen." Du hast mir meinen Glauben wiedergegeben sagte er und lief mit eiligen Schritten davon. Johann Pirzer hat ihn nie wieder gesehen. Im Jahre 1945 war der Krieg
verloren. Und wieder hatte Johann Pirzer Glück. 1 Stunde vor der Gefangennahme schoss ein polnischer Soldat auf ihn. Die Kugel traf aber ein zufällig vorbeikommendes Pferd und schlug dann mit verminderter Wucht in die
Schulter des Gefreiten aus Hohenfels und blieb darin stecken. Ein junger polnischer Arzt entfernte ihm 1947 sein bleihaltiges Andenken. Johann Pirzer arbeitete bis zu seiner Entlassung als Kriegsgefangener in
einem polnischen Bergwerk in Lublin. Seine Brüder überlebten ebenfalls alle den Krieg. Auch sie hatten einen Himmelsbrief, eingenäht in ihrer Jackentasche, dabei. 2 seiner Brüder trafen sich 1948 in der
Gefangenschaft in Sibirien und blieben bis zu Ihrer Entlassung im Jahre 1949 zusammen. Ich habe an diesen Brief geglaubt und bin wieder gesund nach Hause
gekommen, auch wenn ich zweimal schwer verwundet wurde. Und diese Geschichte ist wahr. Deising im Dezember 2007 Johann
Pirzer
Geschrieben von Maximilian Schels
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