Schaumann Chronic
Zum Geleit
Als einer der älteren, jetzt lebenden Männer in Altmühlmünster, welche noch in das 19. Jahrhundert zurückdenken können, habe ich mich entschlossen, meinen Kindern und Nachkommen eine kleine Familienchronik zu schreiben und kleine Lebenserinnerungen darin niederzulegen. Möge der liebe Herrgott mich, mein Beginnen und alle meine Nachkommen segnen, im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen
Die heilige, unbefleckte Jungfrau Maria Königin der Engel und Menschen breite ihren Schutzmantel aus über uns alle, über unseren heiligen Vater, über alle Bischöfe, Priester, Ordensleute und alle Stände der heiligen Kirche über unser Volk und Vaterland. Ihren mächtigen Schutze seien auch empfohlen die Missionen, die Missionare, Missionsschwestern und Missionsbrüder und unsere Familien. Maria mit dem Kinde lieb uns allen Deinen Segen gib.
Altmühlmünster den 17. April 1955 Michael Schaumann. Altmühlmünster den 12. Februar 1992 Martha Bichler.Vorbemerkungen
Der Ordnung halber und zur leichteren Übersicht will ich meine Aufzeichnungen einteilen wie folgt.
Meine Kindheit.
Am 21_ Juni 1881 verehelichten sich meine Eltern, der Schuhmacher Michael Schaumann, wohnhaft in Altmühlmünster 10 und Barbara Brunner eheliche Tochter des Johann Brunner, Schuhmacher in Thann und dessen Ehefrau Kreszenz, eine geborene Semmler. Nach einer mehr als sechsjährigen, kinderlosen Ehe, wurde ihnen meine Schwester Katharina am 30. Oktober 1887 als erstes Kind geboren, doch Katharina wurde mit etwa zwei Jahren krank und man fürchtete sogar, dass sie sterben würde. Nun ließen meine Eltern sie fotografieren. Katharina aber hatte Angst und wollte nicht still stehen, da sagte der Fotograf: „Guck da kommt’s Vogerl raus und in diesem Augenblick ward eine wirklich sehr nette Aufnahme geglückt. Es ist begreiflich, weil Eltern auch einen Stammhalter sich wünschen, doch der wollte nicht kommen, deshalb verlobten meine Eltern sich zu einer Wallfahrt nach Unteremmendorf und ihr Gebet wurde auch erhört. Am 13. September 1890 nachmittags 5.00 Uhr wurde ich nun meinen Eltern als zweites Kind geboren, Die Freude war groß und meine liebe Großmutter aus Thann, hatte mir kaum ein halbes Jahr alt, ein schönes, weißes Kopfhütchen gekauft mit ja, einer grünen, weißen und rot gefärbten Hahnenfeder als Schmuck darauf, wie es halt seinerzeit auch einmal üblich war. Doch die Freude dauert nicht allzu lange. Auch ich fing zu kränkeln an und nur den Umstand dass meine Mutter mich länger als ein Jahr an der Brust stillen konnte, habe ich es zu verdanken, dass ich mit den Leben davongekommen. Ich wurde immer elender, man gab schon alle Hoffnung auf’s gesund werden auf, mein eben erwähntes Strohhütlein wurde den kleinen Girgerl geschenkt, dieser kleine Girgerl, d. h. Georg, war gleich alt wie ich, aber ungemein kräftig und gesund. Wieder war es meine gute, fürsorgliche Großmutter aus Thann welche mir ein Sterbehemdlein und einen ganzen „Zöger“ (das ist eine nach damaligen Brauch aus Leder kunstvoll mit allerlei Zierrat gefertigte Lederhandtasche) voll Rosmariensträußchen brachte, denn mein Leben war ja nur noch von einigen Stunden, Doch der liebe Herrgott fügte es anders. Er der Unerforschliche hatte auch für mich eine zu erfüllende Lebensaufgabe vorherbestimmt. Die damalige Krise war überstanden, aus dem lebensschwachen Büblein erwuchs ein immerhin kräftiger Bub und danke ich heute noch dem lieben Himmelvater, dass er mir so herzensgute Eltern gegeben hat. Ich kann mich noch in‘ meine früheste Kindheit zurück erinnern und vieles was in diesem Büchlein geschrieben steht, hat mir meine liebe Mutter erzählt, von meinen dritten Lebensjahr an weiß ich aber viele Vorkommnisse selbst.
Mein Vater war aber keineswegs unbeteiligt. Allerdings überließ er aus weisen Gründen die erste Bildung meines Kinderherzens und meinen überaus weichen und empfindsamen Gemüts der Mutter.
So wurde in mir schon frühzeitig die Liebe zur Heimat, zu Wald und Feld, Berg und Tal gelegt, wo in früheren Zeiten meine Ahnen mit Not und Sorge ringen mussten, wo der Boden durch ihren Schweiß geweiht und geheiligt ist. Jener Eliasgirgerl welchen ich oben erwähnte, ist trotz seiner guten Gesundheit keine zwei Jahre alt geworden und hat mein Strohhütlein nicht mehr verbraucht. Hoffentlich werden wir beide uns einmal im Himmel kennen lernen.
So ist eben Gottes Ratschluss stets unerforschlich, für den einen so, für den anderen eben anders. Hauptsache ist und bleibt, wenn der Mensch in Gotteskindschaft sein Ziel erreicht. Meine Mutter war übrigens von feiner, zarter und überlegt guter Herzensbildung, was nachstehend angeführte Begebenheit ein kleinwenig beweisen soll. Einmal badete mich meine Mutter und sie setzte mich zum abtrocknen auf eine Decke auf den Tisch. Ich war damals etwa drei Jahre alt und hatte gut ausgebildete Brustwarzen. Als mich meine Mutter abtrocknete, sah ich an mir herunter und dabei fielen mir eben meine Brustwarzen auf. Sogleich fragte ich sie „Mutter was ist denn das?“ Einen kurzen Moment gab ihr diese Frage einen sichtlich überraschten Ruck. Mit einer sehr ruhigen und mich vollauf befriedigenden Antwort löste sie dieses heikle Problem. Ja schau Micherl, sagte sie: „Des is a‘ so. Als d‘ Jud’n an „Himmivater“ kreuzigt ham, da hams eam mit da Lanz’n ins Herz gstoßn und seitdem ham alle Leut, do an der Seitn des Wundmal, damit sie´s nicht vergessen“. Staunend war ich zufrieden. Als ich aber älter wurde, habe ich oft an diese Begebenheit gedacht und diese Antwort wirklich bewundert und heute, als alter Mann, hab’s ich auch noch, nicht vergessen. Möchten doch alle Väter und Mütter, im Reden und Handeln ihren Kindern gegenüber so überlegt sein, denn Kinderherzen sind weich und empfänglich und viel hängt manchmal für das ganze Leben davon ab, wie die Eltern redeten und handelten.
- Kapitel.
Der Schauplatz meiner ersten Kinderjahre und der Schuljahre war mein Geburtshaus Nr.10 in Altmühlmünster sowie der daran anschließende, Garten. Ich kannte da jedes Grasbüschel, jeden Stein und Schlehendornhecke, wusste wo die Bachstelzen und Rotschwänzlein ihre Nester hatten und die Meisen. Hatte unterm Hollerbaum beim Backofen einen verschwiegenen großen Dachstein gelegt, unter welchen man jederzeit mühelos Regenwürmer fand, welche als Köder an der Angel zum fangen der herrlichsten Forellen unentbehrlich waren. Mein Vater selig verstand die Kunst aus Roßschweifhaaren Angelschnüre zu drehen, welche außerordentlich reißfest und dauerhaft waren. Doch diese viel Aufmerksamkeit erfordernde Arbeit lohnt sich heutzutage nicht mehr, denn Seiden- und Perlonschnüre sind jederzeit erhältlich. Doch das nur‘ nebenbei. Mit meiner Großmutter durfte ich des öfteren nach Obereggersberg gehen. Sie kaufte da von den Schloßknechten jedesmal einen Laib Brot und beim Schloßschweizer Backstein oder Schweizerkäse. hatte sie dann ihre Einkäufe besorgt, da ging sie herunten nicht an der alten Försterwirtschaft vorbei, es wurde Einkehr gehalten. Nur fünf Pfennig Bier und zwei Pfennig „Hoinzl“ (das war Dünnbier von zweiten Aussud ) ergab einen Liter Durststillendes Getränk, welches meiner lieben Großmutter jedes Mal die Lebensgeister auf höchste Touren brachte. Nachdem sie mir dann meine Nase nach allen Regeln der Kunst geputzt hatte, durfte auch ich trinken. Dankbar und bewundernd zugleich schaute ich zur lieben Großmutter auf und war nicht wenig stolz auf sie, wenn sie ihr mageres Geldbeutelchen heraus zog und die Zeche bezahlte. Unter Hinweis auf den langen und erschwerlichen Weg nach Altmühlmünster versuchte dann die Wirtin meine Großmutter, doch manchmal die gleiche Krugfüllung kommen zu lassen. Doch nach einigen zögern ließ sie es geschehen. Sie fragte mich, ob ich „an Kaas mog“ und ich mochte an Kaas. Also kramte sie den Schweizerkäse aus und ich bekam davon. Vielwissend und argwöhnisch schaute sie dann immer rechtzeitig auf meine Nase und putzte sie mir nachdrücklich. Hatten wir dann alles geschafft und dabei vierzehn Pfennig vertrunken dann ging es heimzu. Sie, meine Großmutter ging da nicht stillschweigend ihren Weg, sondern mit viel Redeaufwand suchte sie mir zu erklären, dass das net alle Tage leidt, das heißt, dass ein solcher Aufwand nicht alle Tage erschwinglich sei. Jetzt müssen wir wieder a‘ Weil sparen war ihre Meinung und Entschuldigung. Nachdem mein Großvater Schuhmacher war und immer auch alte Schuhe in rauen Mengen zur Reparatur und zum Besohlen gebracht wurden, verdiente er soviel, dass etwa alle vierzehn Tage, meine Großmutter so eine kleine Brot – Käse – und Bierreise unternehmen konnte. „Handwerk hat goldenen Boden“ und das trifft auch heute noch zu. Da nun in Altmühlmünster schon von jeher die Anwesensbesitzer auf irgendeinen Nebenverdienst angewiesen sind, so arbeitete auch mein Vater, obwohl Schuhmacher, entweder als landwirtschaftlicher Taglöhner bei den auswärtigen Bauern, oder als Handlanger. So war er auch beim Neubau des Wohnhauses Gabler, (Hausname Rengsburger) Deising, beschäftigt, welches 1892 – 93 erbaut wurde. Weil nun mein Vater fleißig war, er war ja auch sehr kräftig und schaffte oft sozusagen für zwei, bekam er von der damaligen Rengsburgerbäurin zu Mittag immer Suppe und ein schönes Stück Fleisch, das ihm die Maurer nicht vergönnten, doch eines Tages wartete er vergebens, er bekam nichts und am nächsten Tag auch nichts.
Die Maurer lachten ihn aus, was meinen Vater ärgerte. Als er nun am dritten Tag auch nichts bekam, fragte er die Bäuerin, warum er jetzt nichts mehr bekomme? Da sagte sie ihm: „Wenn dir unsere Suppe nicht gut genug und das Stück Fleisch nicht groß genug ist dann brauchst auch nichts“ ich hab gemeint wunderwas ich tu. Mein Vater drauf: „Wer sagt denn so etwas“ .Na die Maurer hams gesagt, daß’t alle Tage übers Essen schimpfst! Da Polier, der Meister hats selber gesagt. So, so Regensburgermutter sei so gut und bleib an Augenblick stehen daherunten, des wer’n ma glei ham. Mein Vater ging nun die Gerüsttreppe hinauf, packte den Polier beim Hemdkragen von hinten und beim Hosenboden, hob ihn über das Gerüstgeländer hinaus und sagte:“Kerl, ich schmeiß dich da hinunter wenn du der Rengsburgermutter nicht augenblicklich sagst, ob i über ihr Suppen und Fleisch geschimpft hob, oder net“. Der Polier:“Ach Schaumann sei gscheit, wir ham di ja bloß ärgern woll’n und von da an bekam Vater wieder seine Suppe wie bisher. Wenn meine Eltern auf das Feld zur Arbeit mussten, trug mich die Mutter kurzerhand zur (Ahnfrau) zur Großmutter. Diese hatte ihr Stübchen da, wo die Fenster zum Garten und Keller hinauf schauen. Sie redeten belanglose Dinge, bis auf einmal Großmutter sagte: „Uijegerl“ da ist ja gar de alte Sau heraußen, tu’s no glei nei.“
Die Mutter stellte mich rasch auf den Stubenboden und flugs war sie draußen. Bis ich dann auf die Bank kletterte, nur de alte Sau wenn’s draußen vorbeiläuft zu sehen, war der Abschiedsschmerz gar nicht erwacht, die alte Sau sah ich aber nie laufen. Das fiel mir weiter nicht auf, obgleich fast jeden Tag, das gleiche passierte. Meine Großmutter hatte dabei schon einige Übung. Geh sagte sie dann, na kriegst a‘ paar Hutzeln. Ich hing mich an ihren Schürzen- oder Rockzipfel, dann ging’s zu ihrem Kleiderkasten. Ich vermein heute noch den Duft der diesem entströmte, zu riechen. Es roch da nach Grauschimmel, nach Hutzeln, gedörrte Zwetschgen, nach Rosenmehl, Schmalz und Rauchfleisch, nach alten Kleidern und Naschwerk u.s.w. Alle Kostbarkeiten waren da verstaut und oben ganz hinten lag verborgen ein aus rauen Leinen, ziemlich rußiges Säcklein mit den erwähnten Haselnüssen. Wenn nun endlich die Großmutter das erwähnte Säcklein fand, das dauerte manchmal so ziemlich lang, hatte ich längst meine Hände zu einer kleinen Grube geformt, damit sie diese Haselnüsse da hineinlegen konnte. Aber so schnell ging das nicht, erst raschelte und rauschte sie mit den Nüssen im Säcklein eine Zeitlang herum und endlich kam dann ihre magere Hand wieder zum Vorschein und richtig, sie hatte etwa fünf oder sechs davon erwischt. Mit einer eindringlichen Mahnung „schau auf, fall net wieder und verschütt’s nicht, war ich entlassen. Mit Großvaters Schusterhammer wurden sie dann auf den runden Stein, der zum ausklopfen der Schuhsohlen diente, aufgeschlagen. A‘ Köstlichkeit der Köstlichkeiten. Wenn dann auch ein paar taube, leere Nüsse dabei waren, so tat das dem Guten keinen Abruf. Ich lernte dabei, mich in die unvermeidlichen Gegebenheiten zu fügen. Auch kochte Großmutter gern eine „Alte Wabl“ dazu nahm sie in Scheiben geschnittene Semmeln, welche sie in gezuckerter Milch etwas einweichte, rührte einen feinen Weizenmehlteig mit ein paar darunter geklöpfelten Eiern, Salz, etwas Zucker und wann es gut ging sogar ein wenig Weinberln (Rosinen) an und schichtete alles lagenweise in eine irdene Töpferreine und Buck alles zusammen schön goldgelb fertig. Ich war beim zurichten dieser „Alten Wabl“ keineswegs unbeteiligt. Des Öfteren holte ich ihr die Semmel beim Bäcker drüben oder beim Bräu draußen. Einmal aber musste ich wieder Semmeln holen. Der Bräu hatte seine alte Bierhefe in die neben der Haustüre wuchernden Ampferblätter geschüttet. Viele, viele so kleine weißblaue Schmetterlinge gaukelten da herum und Buben und Mädels waren engagiert darüber, gar welche von den Schmetterlingen zu fangen. Doch es gelang nicht. Ich war dabei so in Eifer geraten, dass ich meine Aufgabe die Semmel zu holen ganz und gar vergaß. Nach langen erfolglosen Bemühen warf ich kurzerhand das blaue Sacktüchl in welches mir der Bräu die Semmel binden sollte, auf die Schmetterlinge auf der recht weichen Hefe und die Bescherung war fertig. Mein Sacktüchl sah aus, als ob’s über und über voll Sch—dreck wär und gerade recht, kam Großmutter schon um die Friedhofsecke. Irgendetwas holte sie ganz verdächtig, samt der Hand in die Schürze gewickelt, was ich zunächst nicht sehen sollte. Als sie jedoch nahe genug gekommen war und die Bescherung sah, wollte ich schnell noch erzählen, wie viel wir solche Schmetterlinge erwischten. Doch ich kam nicht mehr zum erzählen. Schnell fasste sie mich hinten an der Schnellfeuerkanone, (das war die Hose, welche hinten, wenn es pressierte, der ganze Boden schnell aufgeknöpft werden konnte) und das geheimnisvolle etwas, das sie in der Schürze eingewickelt hatte, sauste nicht schlecht auf meinen Boinbarton nieder. Wenn in Zukunft etwas zu erwarten war, schaute ich zuerst ob’s wieder was in der Schürze eingewickelt hat, manchmal nahm ich schon Reißaus. Doch den Haselnuss-Stecken bekam ich noch öfter zu spüren und ich konnte nicht begreifen, was Großmutter meinte, wenn sie darauf sagte: für ihre Hand wäre es zu Schade. So gingen meine ersten Kinderjahre in Freud und Leid dahin. Am 6. August 1894 konnten meine Großeltern ihr fünfzigjähriges Hochzeitsjubiläum feiern. Dank der Initiative von Onkel Franz in Rosenheim, Onkel Peter in München und Onkel Hans in Parsberg wurde diese Feier fast zu einem Volksfest. Nach feierlichem Amt wo ungewöhnlich viele Leute beteiligt waren und einen wirklich großartigen Festessen, wurde abends zum Abschluss des Tages noch ein großes Feuerwerk abgebrannt und zwar auf der Wirtswiese. Dieses Ereignis hat sich bei den alten Leuten bis heute in lebendiger Erinnerung erhalten. Am 10. Oktober 1895 starb meine liebe Großmutter und damit ging meine erste unbeschwerte Kindheit ihrem Ende entgegen. - Meine Eltern.
Mein Vater war geboren am 20. November 1856 in Altmühlmünster Hsnr. 13. Er war das jüngste von sieben Kindern. Drei Brüder Johann Baptist, Franz und Peter, sowie drei Schwestern Katharina, Theresia, und Anna halfen kräftig mit, dass zwei weitere Brüder in dem kleinen Häuschen Hsnr. 13 dauernde Gäste waren. Diese Brüder hießen „Schmalhans“ der hielt sich hauptsächlich in Küche und Keller auf und der zweite hieß „guter Appetit“ dieser war immer zu Gast bei Tisch. Kein Wunder wenn es da immer sparsam zuging, wo doch bei diesem kleinen Häusel nur ein an steiler Berghänge liegendes Äckerl dazugehörte, wo die Mittagssonne unbarmherzig draufbrannte und die Kartoffeln liefern müsste, zu Suppen und Haus d. h. das Wohnhaus dieses Anwesen war noch nach den ersten Siedlungsanfängen von Altmühlmünster erbaut, also ein richtiges Holz – Blockhaus mit einer etwa eineinhalb Meter ausladenden „Alttanne“. Auf diese Alttanne stellten nun die vier Buben Hans, Franz, Peter und Michl ihre Bettstellen und schliefen draußen während des Sommers. Dieses alte Haus mit seinen kleinen Fenstern und den alten morschen Gebälk, hielt natürlich solche Strapazen nicht mehr allzu lange aus und Großvater sah sich deshalb veranlasst, es abzubrechen und das jetzt noch stehende Wohnhaus neu zu erbauen. Vom Standpunkt des „Naturschutzes“ ist es eigentlich bedauerlich, wenn solche uralte Baudenkmäler nicht in der ursprünglichen Form neu errichtet werden, sondern einfach durch öde, jeder Schönheit entbehrenden Steinhäusern ersetzt wurden. Mein Vater und der älteste Bruder Johann, Baptist lernten vom Großvater das Schuhmacherhandwerk, Bruder Franz das Zimmermanns – und Bruder Peter das Herrenschneiderhandwerk, was jedem der vier Buben in ihrem späteren Lebensberufe entscheidend zu Gute kam. Hans z. B. konnte sich dadurch in Parsberg eine Lebensexistenz gründen, Franz diente infolge seines erlernten Zimmereiberufes von 1869 – 1871 bei den Pionieren in Ingolstadt, trat dann als Eisenbahnaspirant bei der königlich, bayerischen Staatsbahn ein, tat Dienst in Pfaffenhofen am Starnbergersee und in Markl am Inn. Wurde zum Adjunkt befördert und nach Endorf in Oberbayern versetzt, heiratete 1887 die Kaufmannstochter Auguste Seidl von Holzkirchen. Wurde zum Egpetitor befördert und nach Neumarkt Sankt Veit versetzt. Von da nach Kufstein und 1896 nach Rosenheim. Peter diente beim 11 kgl. bayr. Polizei, hatte aber ein viel zu weiches Gemüt für den rauen Polizeidienst. Die Handwerksburschen hatten das bald heraus, sie gingen geradezu auf ihn los und klagten ihm ihre Not. Peter war dann so gerührt, dass er diese Landstreicher auch noch beschenkte. Eines schönen Tages hängte er den Polizeidienst an den Nagel und ging nach München, wurde dort in der St. Maximiliannotkirche in der Auenstrasse 21 als Mesner angestellt und als Kirchendiener mit Galauniform angestellt und wohnte mit seiner Frau Adolfine bis zu seiner Pensionierung im Pfarrhof St. Maximilian in der Wittelsbachstr. 2 .Die beiden, Peter und Adolfine hatten keine Kinder, deshalb sagte er zu mir: Michl du weißt, dass ich keine Liebeserben hab. Ich habe deshalb für den Fall meines Todes mein Testament bereits gemacht und dich zum Erben eingesetzt. Dieses Testament liegt auch bei meiner Bank, mit guten 30.000.- DM kannst du schon rechnen. Es ist so gemacht, dass derjenige, der das Stichwort (Geheimniswort) weiß, berechtigt ist, über diesen Betrag zu verfügen kann und damit du es nicht vergisst. Es heißt „Grasmus“ und der hl. Bischof Grasmus ist auf den hinteren Seitenaltar in der Pfarrkirche zu Altmühlmünster abgebildet. Doch die Inflation von 1920 bis November 1923 fraß Onkel Peters Ersparnisse, ebenso wie alle übrigen Vermögenswerte, so dass Peter zuletzt selber noch notleiden musste. Die damalige Inflation folgt weiter hinten. (Bericht) Der Einfachheit halber auch noch ein kleiner Bericht über die drei Schwestern meines Vaters: Katharina, Anna und Theresia. Katharina heiratete den approbierten Bader Franz Majerhöfer in Arnsberg sie hatten zwei Kinder, Franz und Loris. Franz wurde Zahnarzt und wohnte in Chemnitz. Loris, Hebamme und wohnte in Berg bei Neumarkt/Opf. Anna heiratete den Kanalschiffer Benedikt Bachhuber aus Meihern. Sie hatten fünf Kinder Josef, Franz, Anna und Benedikt. Bei der Geburt des letzteren, verstarb sie im Jahre 1888. Die Theresia verstarb in jungen Jahren etwa 25 Jahre alt. Auf alle Fälle kann der Nachweis erbracht werden, dass die Schaumann ohne Ausnahme tüchtige Staatsbürger und brauchbare Menschen waren. Doch nun zurück zu meinen Vater. Beim Neubau des Wohnhauses Nr. 10 in Altmühlmünster, hatte mein Vater schon tüchtig mitgeholfen. Mit einem so genannten „Esel“ eine damals gebräuchliche Rückentrage schleppte er schon Bausteine und Mörtel aufs Gerüst. Franz hatte bei Stadler in Pondorf die Zimmerei bereits erlernt und hier muss ich gleich ein kleines Vorkommnis einfügen, dass sich damals zutrug und Onkel Franz mir selbst erzählte: Bei einem Bauern in Pondorf hatte sein Lehrmeister einen neuen Stadel zu bauen. Die Zimmerleute bekamen bei diesem Bauern auch das Mittagsessen. Dabei gab es einmal geräucherten Schinken mit Kartoffelbrei. Einer der Maurer nahm einen tüchtigen Esslöffel voll Brei heraus und gab’s der Hauskatze auf die Bank, da diese recht zudringlich war.
Der Brei war noch kochendheiß und Franz stieß ihr die Nase hinein. Die Katze war darauf neben einem offenen Fenster, gleich durch die Glasscheibe des anderen Fensters auf die Gasse gesprungen, so dass die Glasscheiben splitterten und keiner eigentlich wusste wie das kam. Franz aber fragte wohlweislich nicht bekanntlich können die Katzen nichts Heißes vertragen. Also durch die tatkräftige Mitarbeit auch schon meines Vaters war der Neubau des Hauses Nr. 10 im Frühjahr und Sommer 1869 durchgeführt und die Stadler von Pondorf, einschließlich Franz, setzten das Dachgebälk. Im Herbst 1869 musste dann Franz zum Militär einrücken.
Meine Mutter.
Meine Mutter war geboren am 14. September 1856 in Thann. Sie war die zweitälteste von fünf Geschwistern. Ihre Geschwister hießen: Josef, Sebastian, Johann Baptist und Christine. In ihren jungen Jahren war sie landwirtschaftliche Dienstmagd und einmal, bei der Heuernte, schlug ihr ein Gaul des Bauern Georg Meier (Stadlerbauer) den rechten Oberarm ab und hatte dabei noch Glück, dass sie nicht totgeschlagen wurde. Fast ein Jahr lang konnte sie sich nichts mehr verdienen. Mit vierundzwanzigeinhalb Jahren heiratete sie meinen Vater und ihr Vater tat wirklich das Menschenmögliche zu ihrer Aussteuer. Neben einen neuen Kammerwagen d. h. neuen Möbel mit Spinnrad und Wiege gab er ihr auch noch ein halbes Tagwerk umfassendes Holzteil mit schönem Bestand, samt einer Wiese im Grund hinten, an der Zell – Thannerstrasse. Auch sie war die schwere Arbeit und das Notleiden von Jugend an gewöhnt und deshalb machte es ihr eigentlich nichts aus, wenn sie nach ihrer Hochzeit gleich wieder weiternotnickeln musste. Meine Eltern mussten nämlich das Anwesen Nr. 10 um sage und schreibe 5757.- DM übernehmen, wo doch damals ein – eineinhalbjähriges Stück Jungrind bei 45.- bis 50.- Mark nur kostete. Ausgerechnet an Weihnachten war jedes Jahr der Zins für die Kirche in Thann fällig, mit 99.- Mark. Kein Wunder, wenn deshalb auch’s Christkindl bei uns immer sehr, sehr bescheiden ausfiel. Und doch waren wir der Meinung, bei uns sei es doch am schönsten. Meine Eltern waren aber keineswegs grantig oder mürrisch, jeden Tag nach Feierabend sangen sie die schönsten Volkslieder und dabei war meine Mutter immer die Anfängerin. „Geh Vata sing, ma oans“. Sie saßen hinten neben dem Ofen auf so einer hölzernen Bank, welche ihr Kanapee oder Diwan ersetzte. Mutter hatte eine sehr schöne Sopranstimme und Vater konnte von Tenor über Alt und Bass variieren wenn’s notwendig war. Oft schon dachte ich mir: 0′ holde Kindheitszeit, noch einmal kehr zurück, wo spielend ich genoss, das allergrößte Glück, wo ich am Vaterhaus auf grüner Wiese stand und weit hinüber schaute ins Heimatland. Gott seis gedankt, heute, das heißt heutzutage weiß man vom Volkslied in einer Gastwirtschaft nichts mehr. Nur ein ewiges Kartenspiel ist die große Mode und natürlich auch der Sport, ganz gleich ob Fußball, Bob oder was weiß ich, wie sie heißen diese Herrgötter. Da lob ich mir doch heute noch ein Liedchen.
Und weil ich schon im Feuer bin, will ich gleich eines einfügen.
Nur noch einmal in meinem ganzen Leben, o‘ möcht ich meine Eltern wieder sehen, was würde ich dafür alles geben, o‘ könnte dieses noch einmal geschehen.
Ich würde sie alsdann mit holden Blicken, und o‘ mit welchem kindlichen Vertrauen, allhier an meinen treuen Busen drücken, und wonnefall in Ihrer Antlitz schauen.
Der liebe Gott, ach hat sie mir entrissen, die mein Glück, meine Freude, mein Alles waren, die Tränen die für sie noch immer fließen, die werden fließen noch in späteren Jahren.
Sie sorgten stets für mich und meine Schwestern, (Brüder) und zogen uns zu edlen Menschen auf,
ich seh Euch liebste Eltern nimmer wieder, der liebe Gott nahm Euch zu sich hinauf.
Dort werdet Ihr nun ewig bei Ihm wohnen, dort schaut ihr immer Gottes Antlitz an, dort wird er Euch, ihr Eltern das belohnen, was Ihr euern Kindern Gut’s getan.
Oder noch die erste Strophe eines andern Liedes. 1. Dein gedenk ich, wann ich erwach,
du bist mein Stern in dunkler Nacht, am blauen Himmel seh ich dein Bild, im Sternenschimmer strahlst du mir mild.
Heute noch als alter Mann rühren solche Lieder mein Herz und ich fühle mich aufs Neue wieder jung.
Meine Mutter musste früh und spät auf der Suche nach Futter sein und mit der so genannten Kirm bis in die entlegensten Winkel der Münsterer- und der angrenzenden Gemeindefluren Ausschau halten und riesige Bürden Gras heimschleppen, um die drei Kühe und zwei Jungrinder durchhalten zu können. Kaum war der Schnee weg, ging sie schon um sogenannte Holzdistel bis in die Arnsdorfer Hölzer. Diese Holzdistel wurde dann im Futterkochkessel dem Güllofen gekocht. Das roch wie der allerbeste Tee, dazu wurde noch Gersten gsott, gedämpft, ein wenig geschnittenes Heufutter dazu und schon war eine Viehmahlzeit fertig. So ein Pack Holzdistel reichte immer für ein paar Tage, das Seichgras jedoch nur für einen Tag. Um das Jahr 1891 kauften sie sich eine Wiese im Einsiedeltal. 1 Tagwerk und 3 Dezimal groß vom Jakelbauern und die drei Tagwerk Acker vom Müller in Deising, drunten im Deisinger Feld.
Es war zwar die winterliche Futternot behoben, die Schulden aber wieder mehr geworden. Als sie aber ihre Schulden mit äußerster Sparsamkeit und Fleiß fast abgezahlt hatten, da vertauschten sie ihr Anwesen Hsnr, 10 im Jahre 1910 (am 10. März 1910) gegen das Anwesen Hsnr. 16 in Eggmühle. Als Aufpreis mussten sie leisten: 5500.- Mark in bar, ferner mussten sie die erste Hypothek des früheren Mühlbesitzers Johann Braun von 6.000.- Mark mit übernehmen und dazu noch 600.- Mark Forderung des Bäckers Josef Gerstner an die frühere Besitzerin des Hauses Nr. 13 in Altmühlmünster, welches Haus damals meinen Eltern auch gehörte und bei diesem Tausch mitvertauscht wurde. Jetzt hatten sie wieder 12.100.- Mark Schulden. Die Baraufgabe von 5.500.- Mark war für fünf Jahre unkündbar von Seiten der Herrn Bernheimer und Lämmle, das waren die Handelsjuden mit welchen der Anwesentausch abgeschlossen wurde und notariell verbrieft wurde. Weil aber diese auch ihr Geld brauchten, verkauften die diese Forderung an den Privatsparverein in Künzlau in Württemberg und wir mussten fortan Fristen und die Zinsen dort hin zahlen. Schon etwa 6 Wochen vor Ablauf der Schonfrist, also schon Anfang Februar 1915 machte dieser Privatsparverein meinen Vater aufmerksam, dass am kommenden 10. März der Restschilling aus diesen 5.500.- Mark mit 1.800.- Mark zur Zahlung fällig wird. Zugleich aber machten sie das Angebot, diese 1.800.- Mark weiterhin liegen zu lassen, wenn Vater eine Gratifikation von 100.- Mark ezahlt und zwar eine solche von 40.- Mark an den Privatsparverein und eine solche von 60.- Mark an die Herren Bernheimer und Lämmle. Vater nahm dieses gelassen zur Kenntnis und schrieb zurück: Die Hundert Mark kann ich auch gut brauchen, ihr bekommt eure 1.800.- Mark und dann haben die Herren Israeliten auf der Eggmühle nichts mehr zu suchen. Vieh hatten wir genug. Verkauften also zwei Ochsen und zwei Stiere und 14 Tage vor dem Termin hatten diese ihr Geld. Wir fuhrwerkten dann vorläufig mit‘ den Kühen und das ging auch. 5.500.- Mark Schulden aber waren bezahlt. Von jetzt an ging es besser, weil die Fristen und Zinsen nicht mehr mitfraßen, das heißt, diese bisherigen Zinsen konnten anderweitig verwendet werden. Eine sinngemäße Planungswirtschaft war aber nicht mehr oder wenigsten vorläufig nicht mehr möglich, denn es war inzwischen der erste Weltkrieg ausgebrochen, doch darüber wird später berichtet.
- Meine Ahnen.
Soweit die Pfarrmatrikel in Altmühlmünster die Möglichkeit bot, habe ich Nachschau, beziehungsweise Nachforschung angestellt. Diese Pfarrbücher reichen zurück bis zum Jahre 1600. Sie wurden je nach Temperament des jeweiligen Pfarrers entweder sehr genau oder aber auch nicht so genau geführt, wie dieses schließlich doch auch erforderlich gewesen wäre.Mein Ur- Urgroßvater Leodegar Schaumann ist geboren am 02. Juli 1753 in Meihern. Er war Schuster, katholisch und starb am 10.08.1814 in Meihern. Er heiratete die Müllerstochter Barbara Götz von Deising. Diese war geboren am 04. März 1748 in Deising, katholisch und starb am 22. Dezember 1812 in Meihern. Mein Urgroßvater Johann Schaumann war geboren am 15. März 1783 in Meihern, war Schuster in Altmühlmünster, katholisch und starb am 15. November 1825. Er ist in der Altmühl ertrunken. Er heiratete am 27. April 1803 die Theresa Rödl aus Hainsberg, katholisch. Diese meine Urgroßmutter starb am 03. März 1844 in Altmühlmünster. Mein Großvater Johann Schaumann war geboren am 10. Juni 1819 in Altmühlmünster, er war auch Schuster, katholisch und starb am 10. August 1904. Am 06. August 1844 heiratete er die Maria Anna Semmler aus Mühlbach. Geboren war meine Großmutter am 03. August 1815 in Mühlbach, über diese beiden folgt nach der Angabe meiner Ahnen mütterlicherseits, noch ein ausführlicher Bericht. Zuerst muss ich aber der Vollständigkeitshalber noch die Eltern meiner Großmutter anfügen. Der Vater meiner Großmutter hieß Peter Semmler, war geboren am 23. Juni 1796 in Mühlbach, katholisch, war Maurer und heiratete am 20. September 1814 die Anna Maria Kraus aus Mallerstetten. Diese meine Urgroßmutter war geboren am 30.Mai 1791in Mallerstetten. Der Sterbetag der beiden ist mir nicht bekannt. Über meine Vorfahren mütterlicherseits kann ich keine so genauen Angaben machen. Mein Ur- Urgroßvater hieß Bartholomäus Brunner und meine Ur- Urgroßmutter Anna Maria. Die Geburtstage der beiden, ihre Eheschließung, sowie ihre Sterbetage sind mir nicht bekannt. Mein Urgroßvater hieß Mathias Brunner ist geboren am 07. März 1797 in Jachenhausen, katholisch, war Schuster und starb am 17. Juni 1860 in Thann, er heiratete die Kreszens Pöringer, katholisch, der Tag der Eheschließung ist mir unbekannt und sie starb am 17. April 1830 in Thann.
Mein Großvater Johann Brunner ist geboren am 11. November 1825 in Thann, war auch Schuster, katholisch und heiratete die Kreszenz Semmler, katholisch, diese ist geboren am 19. August 1832 in Thann. Sie vermählten sich am 20. November 1898 ebenfalls in Thann. Die Eltern der Großmutter hießen. Also mein Ur- Urgroßvater von Beruf Söldner, er arbeitete also im Taglohn und starb am 11.März 1813 in Thann, sein Geburtstag und der Tag seiner Heirat sind mir nicht bekannt. Er heiratete die Anna Maria Wittmann, katholisch, diese starb am 24. Juni 1831 in Thann.
Der Urgroßvater Jakob Semmler, katholisch ist geboren am 31. Januar 1796 in Thann, war auch Söldner, also Taglöhner und starb am 26. Februar 1861 in Thann. Er heiratete die Anna Maria Betz, katholisch, geboren am 24. Juli 1796 in Dieterzhofen, am 24. Februar 1824 in Altmühlmünster. Sie starb am 26. Februar 1861 in Thann. Die Großmutter, also die Mutter, meiner Mutter hieß Kreszenz Semmler und ist mit Geburts-, Heirats- und Sterbetag bereits auf Seite 24 beim Großvater aufgeführt. - Jugenderinnerungen.
Als ich ein kleinwenig herangewachsen war, so etwa vom achten Lebensjahr ab, musste ich während des Sommers von früh bis spät die Kühe samt den Jungrindern hüten, um die Mutter, von wegen der Futtersuche etwas zu entlasten. Auch nach der Schule musste ich Kühe hüten und es interessierte mich, was sich regte in der Natur. Einmal aber hütete ich im schon erwähnten Rauchtal, es war ziemlich kühl und weil die Sonne grad bei einem Fichtenbaum, an der Stockwurz recht warm hinschien, setzte ich mich dorthin und schlief ein. Als ich erwachte, stand die Sonne schon hoch am Himmel und meine Küh waren nirgends zu sehen. Der Schreck wollte mich fast lähmen. Schnell überlegte ich, wohin ich zuerst laufen sollte. Ich lief zuerst hinauf, also nicht den Grund herunter zu und siehe da, da standen sie im Schatten unter den Bäumen und wiederkäuten gemütlich. Fast musste ich weinen und lachen zugleich. Ich trieb aber nun doch gleich heim. Meine Kühe, die waren gut erzogen, wenn eine etwa einmal beim aus- oder eintreiben in angrenzende Äcker oder Wiesen gehen wollte, bedurfte es nur eines kurzen, scharfen Schreies: „Oide“ was soviel heißen sollte: Alte gehst nicht gleich raus. Dann war die beste Marschordnung a‘ wieder hergestellt und jede wusste was dieses „Oide“ bedeutete. Kam ich dann heim und hatten die Küh richtige Wampen, waren sie also richtig vollgefressen, dann hatte mir die Mutter schon ein Ei mit einem Brocken Schmalz zurecht gelegt und ich fing mir dazu zwei Forellen und zwar jeden Tag. Vom unteren Eck unseres Backofen bei Hsnr. 10 (also mein Geburtshaus) etwa fünfzehn Meter Bachabwärts hatte ich zwei Forellen und dazu nicht etwa kleine.
Du fragst, wie das möglich war? Das war so: Als die Eggmühle eben noch Mühle war, also eine richtige Bauern- Kundenmühle mit Sägewerksbetrieb, da war der damalige Müller, Johann Braun bedacht, aus diesem Mühlenbach, auch neben der Wasserkraft, noch Forellen ernten zu können. Wenn das Bachbett zu reinigen war, machte er einmal die eine Hälfte vom Gras frei und nach etwa sechs Wochen die andere Hälfte. Die Forellen hatten da immer Unterstand und das lieben sie und gedeihen auch gut, weil sich an diesem Bachgras eben auch die Wasserflöhe oder Wasserläuse wie sie auch genannt werden, halten können, welche eben den Forellen hauptsächlich als Nahrung dienen. Seit aber die Eggmühle, dass heißt die Wasserkraft der Eggmühle als Antrieb für die Pumpstation der Wassverversorgungsgenossenschaft Thann – Eggersberg benutzt wird, ist es aus mit den Forellen. Warum? Alle paar Jahre kommen sie mit Schaufeln und jetzt mit dem Bagger und reißen alles heraus und wenn sich inzwischen wieder ein paar Fischlein eingenistet haben, dann sind’s wieder kaputt, weil ihnen jede Lebensmöglichkeit genommen ist. Und noch eines: Am 07. Februar des Jahres 1907 den Tag der ewigen Anbetung und den folgenden Tagen, wurden im Schulgarten in einem Sanddamm 200 Ztr. sind etwa 60 Ztr. flüssig warmer Kalk in den Bach hinein ausgelaufen und alle Forellen waren restlos zugrunde gegangen. Aber bis zum Jahre 1904 da waren sie unerschöpflich. Eine der größten fing mein Vater gegenüber dem Backofeneck mit der Hand unter einen Weidenstock, diese Forelle war mindestens 50 cm lang und hatte von der Rückenflosse gemessen Seitenflanken von 10 Zentimeter. Also ein Prachtexemplar. Doch nun zurück zu meiner Hirtenbrotzeit mit den genannten zwei Forellen. Hatte ich also die Kühe am Futterbarren angehängt, ging ich als erstes zu den bereits auf Seite 6. im 2. Kapitel, Zeile sieben erwähnten großen verschwiegenen Dachstein beim Backofen und holte mir einen Regenwurm unter diesem Dachstein hervor. Die Angelgerte lag stets griffbereit neben der Hausmauer. Ich köderte den Regenwurm daran und in kürzer als fünf Minuten waren die zwei Forellen gefangen. Alles ging nun schnell. Mit einem Reißigbüschchen, ein helles Feuer gemacht, die Stielpfanne mit dem Schmalz aufgesetzt. die Forellen schnell ausgenommen und sauber geputzt, in Mehl gewendet und in die Pfanne. Waren sie fast gargebacken, dann das gut verrührte Ei darüber und eine Brotzeit war fertig um welche einem jeder König beneiden konnte. Die Angelschnur war aus Roßhaar, der Schwimmer aus Gänsefederkiel. Durch diesem Federkiel wurde die Angelschnur hindurchgezogen und mit dem, von der gleichen Feder zurechtgeschnittenen Markkiel auf die gewünschte Senktiefe festgeklemmt. Nebenbei bemerkt musste man das Angeln schon etwas in Übung haben und das hatte und konnte ich. Jedenfalls lag dieses Können mir und meinem Vater von meiner Ur- Urgroßmutter, der Müllerstochter Barbara Götz her, im Blut. Nie durfte der eigene Körperschatten ins Wasser fallen, das heißt, man musste sich in erster Linie so an den Bach aufstellen, dass man vormittags am linken Ufer und nachmittags wenn die Sonne schon etwas mehr westlich stand, am rechten Bachufer stand, beziehungsweise sich aufstellte. Damals vor sechzig und mehr Jahren war ja im Altmühlmünster und auch im Deisinger Bach drunten wirklich ein Eldorado, ein Anglerparadies. Kaufte man sich um 10 Pfennige gewonnenes Rinderblut und schnitt es in kleine Stücke, warf diese dann auf die Brunnkresse, im Nu hingen hunderte von diesen daran und vermehrten sich rasch.
An den Sonntagen nachmittags wanns recht schwülwarm war, angelte mein Vater drunten im Deisinger Bach. Ich fing die Heuhupfer, auch Heuschrecken genannt und bis ich wieder so einen Grashupfer erwischt hatte, hatte Vater wieder eine Forelle. Mit etwa fünf oder sechs Stück gingen wir heim und trieben dann gemeinsam die Kühe aus, weil es gegen Abend etwas kühler war und die Küh dann lieber fraßen als bei der Hitze. Kamen wir dann abends heim, gabs besonders gut zugerichtete Forellen, denn Mutter konnte gut kochen, weil sie das Zeug dazu hatte. Abschließend und ergänzend muss noch erwähnt werden, dass von den auf Seite 28 Zeile 2 + 3 berichteten, ausgelaufenen warm – flüssigen Kalk auch die Wasserläuse vernichtet wurden und auch das Bachbett des Deisinger Baches inzwischen stark versandet ist und wo das Wasser so breit und seicht auseinanderfließen kann, mag keine Forelle sich nicht aufhalten. Eine schmale Wasserrinne mit schnell fließendem Wasser und beiderseitigen Unterständen lieben sie und da braucht man nur die Angel hinklatschen lassen und schon hat eine angebissen. So war es in meiner Schulzeit. Als ich 1903 aus der Werktagsschule entlassen wurde kam ich zu dem Bauern Johann Bachhuber in Thann als Knecht. Dieser Mann war recht gut zu mir, das danke ich ihm heute noch. Er war aber recht eifersüchtig mit seiner Frau und weil das die anderen Bauern auch wussten, so ärgerten sie ihn oft und einmal an einem Sonntag nach dem Gottesdienst holte er seinen Revolver und schoss dem Schneeberger, das war der damalige Besitzer des Waltweberhofes ins Gesicht, traf dabei die vorderen Schneidzähne, so dass diese wie wegradiert waren, den Schneeberger streckte dieser Schuss augenblicklich nieder, so dass man glaubte er sei tot. Die übrigen anwesenden Bauern schlugen nun den Bachhuber nieder und zerrten ihn ins Feuerwehrhaus und von da wurde er verhaftet. Er erhielt für diese Tat 8 Monate Gefängnis. Das war aber schon im Jahre 1902. Weil nun meine Mutter eben auch aus Thann war und Bachhuber keinen anderen Knecht mehr bekam, (als er seine Strafe abgesessen hatte) kam er zu meiner Mutter und ich kam eben nach Thann. Bevor ich mit meinen paar Habseligkeiten tapfer losmarschierte, ermahnte mich meine Mutter recht eindringlich, ja mit der Bäuerin nicht zu reden oder zu lachen, nur mit ihm, dem Bauern. Ich bekam pro Tag 50 Pfennig Lohn, also in der Woche 3.- Mark. Das war ein Heidengeld, also durfte man sich eine solche Verdienstquelle nicht entgehen lassen. Zur gleichen Zeit gab es noch richtige Bauernknechte, welche einen Jahreslohn von 90.- Mark hatten, also pro Tag 30 Pfennig. Für die Arbeiten an Sonn- und Feiertagen bekamen sie praktisch nichts. Da musste ja schließlich auch gefüttert werden und so weiter. Im Winter Holzarbeit, im Frühjahr Waldpflanzen setzen, eggen, walzen und dergleichen. Bei der Heumahd, mähte ich schon tüchtig jede Mahd mit und dengelte mir meine Sense selbst. Ebenso bei der Getreideernte. Die Frau Zieglmeier, die Frau Pflieger und Frau Fanden aus Riedenburg halfen bei der Heu- und Getreideernte. Meine erste Arbeit in der Früh war das leere Bierfaßl zum Wirt zu fahren und ein volles zu holen. Bei 12 bis 15 Liter groß. Dafür ließ ich mich mit der Arbeit auch nicht lumpen, ich ließ nicht aus. Ich schmiss die schwersten Weizengarben aufs höchste Fuder und mein Bauer, der hatte da allerhand Ansprüche auf Lager, etwa so. In der Ernte da darf der Knecht vom Fuder aus den Bauer mit de Garben im Stock drin derwerfen.
Natürlich, dass der Knecht die Garben bis in den hintersten Winkel des Getreidestockes wirft. Mit zwei Ochsen allein musste damals dieses Anwesen mit über 45 Tagwerk Feld bearbeitet werden. Kamen sie mittags oder abends heim, legten sie sich augenblicklich nieder. Jeder bekam sein eigenes Futterwandl mit blanken Hafer. Nur so konnten diese Ochsen von früh bis spät durchhalten. Dabei gehörten sie ihm garnicht selber. Ein verachteter Jude stellte sie ihm leihweise zur Verfügung, denn die christlichen Mitmenschen hatten ihm, dem Bachhuber, aber auch alles genommen. Selbst die Pferdegeschirre samt den Pferden und der Kuhstall war bis auf ein paar alte Kühe ausgeplündert. Und das alles wegen einer einzigen Dummheit. Es hätten eher jene eingesperrt werden sollen, welche den armen Kerl bei jeder Gelegenheit hänselten und foppten. An den Samstagen abends lief ich heim zur Mutter, dass das Herzweh und Heimweh nicht gar zu dringend wurde. In Münster ging ich dann in die Feiertagsschule. Die in harter Arbeit verdienten 3.- Mark lieferte ich getreulich daheim ab und freute mich, meine Eltern damit unterstützen zu können. 15 Pfennig bekam ich wieder zurück, zu einem Seidel Bier und einer Semmel. Kam ich dann abends heim nach Thann, ging ich auch zum Wirt und kaufte mir eben ein Seidel Bier, das Fünferl aber behielt ich als Reserve zurück und wenn dann die Burschen sagten: ich soll doch auch mittun beim Kegelscheiben sagte ich, dass ich es nicht kann und hatte dabei mein Fünferl nicht verspielt und das freute mich erst recht. Während des Sommers, war tagtäglich von etwa abends 9 Uhr ab ein überaus vielstimmiges Froschkonzert im nahen Dorfweiher. Ein alter Senior begann damit, mit einem tiefen lang gezogenem Quack, quack. Im Nu setzten dann die gar hundert anderen Frösche ein und jeder wollte den andern an Stimmaufwand übertreffen. Das dauerte so etwa bis in der Früh um 2 Uhr, dann gingen alle schlafen. So etwas muss man erlebt haben, dann hört man auch nachts das Gotteslob singen.
Zwei Jahre war ich so bei Bachhuber in Thann, welcher mit dem Hausnamen Schneiderlinl genannt wird.
Die zweite Station war dann beim Tummerbauer in Thannhausen. Da gefiel es mir aber nicht, denn ich sollte da etwa den Hausdeppen machen, weil ich gutwillig war. Der Knecht, die Magd und selbst der Bauer narrten mich hint und vorn. Einzelheiten will ich lieber nicht berichten. Mir tat meine Mutter leid, weil ich wusste, wie sehr sie diesen Schundlohn mitverdienen musste, eben deshalb weil sie selber wieder alles Futter zusammenrackern musste. Eines Sonntags nun, als alles nach Schamhaupten in die Kirche gegangen war, packte ich meine Klamotten zusammen und Pfüadi Thannhausen und Tummerbauer und es ging Altmühlmünster zu. Als ich nun heim kam waren meine Eltern etwas bestürzt über meinen unerwarteten und jähen Entschluss. Vater meinte, ich soll wieder nach Thannhausen gehen u.s.w.., doch ich sagte ihm, wegen der Arbeit bin ich nicht davongelaufen, nur wegen den Füreinnarrzuhalten, schließlich will ich nicht zu Hause hocken, ich gehe lieber wieder zu Bachhuber nach Thann. Da wird wenigstens meine Arbeit und mein guter Wille anerkannt; auf keinen Fall aber geh ich nimmer nach Thannhausen. Was weiterhin in dieser Angelegenheit zu tun sei, darüber wollten sie, meine Eltern zunächst einmal schlafen. Am nächsten Morgen war die Entscheidung bereits gefallen. Ich gehe zu Hohentanner sagte er (Hohentanner war der Revierförster in Eggersberg) und frag ihn, ob du nicht anpflanzen helfen darfst, ja und ich durfte helfen Waldpflanzen setzen. 1.20 Mark hatte ich Lohn im Tag. Das dauerte so etwa sechs Wochen. 43.20 Mark verdiente ich dabei, also schon die Hälfte vom Kirchenzins nach Thann. Sommers über hütete ich wieder die Kühe und entlastete dabei meine Mutter. Vom Oktober ab, durfte ich dann mit den alten Elias (Georg Bayerl) dem Michael Stephan von Flügelsberg und den Georg Stephan von Zell bei Hohentanner auch Holzhauen und verdiente so den Rest vom Kirchenzins und darüber hinaus noch einiges. Meine Eltern waren dadurch nicht mehr gezwungen, Jahr für Jahr ein einzweihalbjähriges Jungrind und etwa zwei Schlachtschweine für diesen Zweck zu verkaufen. Inzwischen hatte ich mir ein vierwindiges Posthorn gekauft, von der Musikinstrumentenfabrik Meinel und Herold in Klingental in Sachsen. Im Grund hinten, wo es niemand hörte, übte ich fleißig. Mochten vielleicht auch die Rehlein und Hasen darüber reißaus machen, ich hatte bald heraus, wie ein notwendiger Ton zu blasen war und nach nicht allzu langer Zeit konnte ich den Fischerjunge bereits so eindringlich spielen, dass tatsächlich die Leute auf den Feldern inne hielten und horchten. Der Fischerjunge das heißt das Liedlein aber lautet so:
Bin ich ein Fischerjunge, steh auf in aller Fruah, geh außi auf des Wasser, und schau die Fischlein zua.
(Das ist selbstverständlich nur die erste Strophe). Dazu noch ein anderes Liedlein.
Du, du liegst mir im Herzen, du, du liegst mir im Sinn, du, du machst mir viel Schmerzen, weißt nicht wie gut ich dir bin.
Selbst der blasse Neid musste anerkennen, dass ich das Posthörndlblasen konnte. Es ist zwar zunächst etwas verfrüht, hier schon die Bemerkung einer Frau aus Altmühlmünster zu bringen, (die eigentlich in das Kapitel unserer Anwesensübernahme gehörte und dort nochmal erscheint) diese Frau sagte, als wir das heißt, Mutter und ich heirateten, folgendes: wie no die den mog, der wo sonst garnichts kann als’s Posthörndl blasen. Heute als alter Mann kann ich das auch nicht mehr, weil ich keinen Zahn mehr hab. Lieber deshalb noch die zweite Strophe des oben angefangenen Liedleins.
Darf, darf, darf ich dir trauen, dir, dir und deinem Sinn, kann, kann ich auf dich bauen, weißt ja wie gut ich dir bin.
Als ich im Jahre 1915 einmal im Urlaub aus dem Lazarett Baugewerkschule in Cassel, in Hessen, daheim war, kam ich gegen Abend auch nach Deising zum Wirt und kaufte mir dort ein paar Glas Bier. Da saß nun der Dorfhirte Josef Köppl auch am Ofentisch und hatte über die rechte Schulter einen etwa vier Zentimeter breiten Riemen umgehängt, an welchen mehrere Messingrosen (wie an Pferdegeschirren) befestigt waren. An diesem Riemen war auch die Hundekette und ein Posthorn befestigt, von welchen der eigentliche Schalltrichter abgebrochen und durch ein gewöhnliches Stück Blech ersetzt war. Ich sagte zu den Köppl: da hab ich schon ein anderes Posthörndl, es ist noch wie neu. Er darauf: kann man das nicht kaufen? nein ich verkauf es nicht, wenn ich glücklich aus den Krieg komm, dann schenk ich es dir. Am 30. November 1915 wurde ich als Dienstunbrauchbar vom Heeresdienst entlassen. Bald darauf kam Köppl und ich schenkte ihm mein neues Posthörndl mit der Bemerkung: dass er es nicht verkaufen darf, also selber an Stelle seines alten benützen soll. Er verkaufte es aber doch und ich musste bald einsehen, dass Ehrlichkeit bei vielen Menschen nicht allzuhoch im Kurs stand. Jedenfalls war ich enttäuscht. Damit ist nun zwar die Posthörndlgeschichte abgeschlossen, nicht aber meine jugendliche Freude am musizieren. Ich kaufte mir dann eine Trompete in „ES“, von der gleichen Firma. Eine, Gitarre bei Otto Schmelz in Ingolstadt mit sechsfachen Wander, dass heißt es waren sechs Mundharmonikas zu einem Stern vereinigt und zwar E + A – C + D – Cr + F. das waren Knittlinger Bariton mit Vogelstimmenlöchern für Professionsspieler, also keine Hohner Harmonika, viel leichter zu spielen als Hohner. Es folgte auch eine Gitarre-Zither mit unterlegbaren Notenblättern.
Als dann später unsere Kinder kamen, hatte die ES Trompete ausgedient, ich verkaufte sie an einen Bekannten in Riedenburg, die erste Gitarre, die vom Schmelz, lieh ich den Schneiderl und bekam sie erst als der Boden und die Zargen auseinander fielen, die zweite Gitarre, ebenfalls von Meinel und Herold in Klingental hab ich zwar noch, aber durch meine Gutheit (eben auch ausgeliehen) haben sie mir den Steg, wo unten die Saiten befestigt sind, auch herausgedreht, sie spannten sämtliche Saiten zu stark, dass eben der Steg umkippte. So geht es einem, wenn man gut ist. Auf Seite 23 in Zeile 15 und 16 versprach ich einen ausführlichen Bericht über meine Großeltern väterlicherseits.
Meine Großeltern nannten wir Ahnherr und Ahnfrau. Sie waren beide gleichermaßen zu Späßen aufgelegt. Einmal, es war der erste April, (so erzählte es mir mein Vater), sie waren damals noch auf Hsnr. 13, kam Großmutter dahergeschnauft und fragte den Großvater: Bist schon bei der Hebamme drom gewes’n? die hat heut Nacht vo ihre Goas (Ziege) zwou solche Trümmer Böck griegt, dass ganz aus is. Großvater: da muss i‘ glei naufschaun. Er langt sich seine Mütze herunter und geht zur Hebamme (das war eine Schwester von, ihm und wohnte auf Hsnr. 11). Wo host na deine zwpa Böck? Wos für Böck ? Na de wost heit Nacht griegt host, vo deine Goaß, die Resl drauf (so hieß die Hebamme) Hots de wieda dro kriagt, dei Alte, heit is da erst April: den Großvater reißt’s, no wart, du ,Karneile. Er ging rasch heim und ehe ihn die Großmutter auslachen konnte, rief er schon am Gartenzaun: Mariandl, Mariandl geh such schnell dein Glasl, s‘ Kirzl (eine Kerze) und dein Silbersechser und geh glei zum Schäuferl nauf s‘ Ewerl hot sich an Nobl (den Nabel) ausboazt, (was jedenfalls soviel bedeuten sollte, wie etwa einen Nabelbruch zugezogen) die Großmutter drauf: so, sowas und Silbersechser, s’Glasl und s’Kirzl schnell unterm Schurz versteckt und im Laufschritt zum Schäuferl nauf. Der Großvater muss sich schneuzen, damit er über die Eile von Großmutter ein wenig lachen kann. Als sie zum Schäuferl, kommt fragts: Wo habts denn s’Ewerl hingebettet? die Frau Schäuferl drauf: s’Ewerl? warum, woas? Na, die hoat se doch an Nobl ausboazt. I woas nix, da draus’n laufts umananda. Heit is vei der erste April. Großmutter ging geschlagen heim und Großvater lachte sie aus. Großvater war auch ein gewandter Unterhändler und hatte als solcher viel mit den alten Bederer, den alten Posthalter von Riedenburg und den beiden Handelsjuden Feuchtwanger zu tun. Der eine von den Juden hieß Max, der andere Bernhard. Ich kann mich an die beiden noch gut erinnern. Sie hatten auch im Sommer die Mäntel an, trugen schwarze halblange Wollbärte und steife Coxhüte, das waren ’so Halbzylinder, man nannte sie landläufig einfach Cux. Diese Juden kamen des Öfteren zum Großvater. Einmal aber kam einer, der Bernhard. Großvater fragte wo der Max heute sei? der Bernhard drauf: Jaa der Maax! den ham de Bratwerscht umgebracht, wahrscheinlich hat er, der Max, das jüdische Verbot vom Schweinefleisch nicht streng beobachtet und deshalb ham ihn de Bratwerscht auch umgebracht. Einmal hatte Großvater in Prynn als Unterhändler (als Schmuser) sagte man, zu tun. Großmutter wickelte ihm ein paar Bratwürste ein, diese versteckte sie ganz unten in seinen Lederranzen, (das war eine damals gebräuchliche Ledertasche mit einem Schulterriemen) und obenauf wickelte sie ein paar Butzkühe (Fichtenzapfen) ins Papier. Heut hat mi mei Alte wieder gschmiert, meinte er zu den Geschäftspartnern als Mittag gemacht wurde. Doch als er auspackte kamen die Butzlkühe raus, das Hallo war natürlich groß, er aber kannte seine Frau und suchte weiter und dann kamen auch die Bratwürste zum Vorschein. So machten sie es. Großvater war auch Jagdpächter. Bei einer neuerlichen Verpachtung überbot ihn der damalige Besitzer der Eggmühle, Josef Nigl immer wieder, sodass letzten Endes der Nigl der meistbietende blieb. Um aber seine lieben Kinder satt zu kriegen, holte er sich was ihm vor die Gewehrläufe kam, einfach so. Dabei wurde er einmal von Nigl erwischt, (Großvater hatte einen Hasen geschossen). Am nächsten Tag kam der Nigl mit dem Bürgermeister und einem Schandarm zur Haussuchung, die Großmutter sah die drei rechtzeitig, nahm schnell das Pulverhörndl und den Schrotbeutel zu sich, lief rasch zum Keller, langte sich die zwei Hasen voll Wildbrett, welche da immer vorrätig und im Beize waren her und schob sie ins Ofenloch und zündete Feuer an. Bis die drei hereinkamen und den Großvater erklärten weshalb sie gekommen sind, war die Großmutter längst fertig mit den verschwinden lassen, der Schandarm musste bei Großvater bleiben, der Nigl und der Bürgermeister machten Haussuchung. Großmutter blieb natürlich in der Küche beim Ofenloch und tat ganz überrascht: Na wer kommt denn da hinter. Haussuchung is da, mach dein Keller auf. No, no da is nix hint, wos aalte Zuba (das waren Holzgebinde von verschiedener Größe) Aufmacha sollst, forderte Nigl. Also machte sie die Kellertüre auf. Da war es aber stockfinster und musste sich ein Licht anzünden, sie fanden nichts, obwohl sie alles dreimal umkehrten. Da war in der Küche oder besser gesagt in dem Gewölbe, welches den Kamin trug auch etwas Reisig, dass musste sie auch wegtun, fanden auch da nichts und die beiden mussten unverrichteter Sache wieder abziehen. Großvater saß derweil auf seinen Schusterstuhl und schwitzte. Als nun Nigl mit den Bürgermeister und den Schandarm das Haus verließ da sagte er: d’Kugl is goßn für di und Großmutter drauf: und für di steckts scho im Lauf drin. Das war natürlich nicht so ernst und brutal gemeint, als es klingt und sollte nur eine unerschrockene Antwort bedeuten. Als die erste Überraschung und der Schreck verflogen war, fragte er die Großmutter wie sie es angestellt hat, dass sie nichts fanden, meint sie nur: da schaung de z’langsam, i‘ habs schnell ins Ofaloch eini, an Busch’n (Reisigbuschen) nachg’schobn und ozund’n, na hot erna Hundskrüppl a‘ nit nei schmeck’a kina.
Großvater war auch Bienenschneider. Bei diesem Geschäft kam er in drei Landgerichtsbezirke bis ins Eichstättische hinauf. Was heißt Bienenschneider? In früheren Jahren hielt man die Bienenvölker nur in Strohkörbchen. Man hatte also keinen Mobilbau wie heutzutage in Kästen. Die Bienenhalter warteten im Herbst auf den Bienenschneider, der den über Sommer eingetragenen Honig herausschnitt. Die schwersten, Völker wurden kurzerhand abgeschwefelt, dazu benötigte man sogenannte Schwefelfleckerl, diese waren etwa sechs bis sieben Zentimeter im geviert und wurden beiderseits im flüssigen Schwefel eingetaucht. Aus alten, zu anderen Zwecken unbrauchbare Bettüberzüge und dergleichen wurden sie hergestellt. Wenn Großvater diese machte, konnte sich niemand im Hause aufhalten wegen dem Schwefeldampf. Ein Rauchfaßl, ein Winkelmesser mit langen Stiel und eine Stoßspachtel waren seine Werkzeuge. Waren die Völker zum abschwefeln bestimmt, ging alles rasch. Das Schwefelfleckerl anzünden, den Korb etwas anheben und das brennende darunter werfen, im Nu waren alle erstickt. Da brauchte man nur mit der Hand das Flugloch zuhalten, aus war es. Die noch an den Waben hingenden Bienen wurden abgekehrt und Wabe um Wabe herausgeschnitten. Die übrigen Völker wurden beschnitten, dass heißt, heuer wurde diese Seite, im nächsten Jahr die andere Seite von Waben leer geschnitten. auf die Weise wurde der Wabenbau nicht zu alt. Der Honig wurde durch leinerne Tücher ausgepresst und das Wachs ausgekocht. Wenn er dann von so einer Rundreise heimkam, die mitunter 14 Tage bis drei Wochen dauerte, war sein Joppenkragen im Umschlag voller Bienen. Auf Hsnr. 10 hatten wir selber bis dreißig Korbvölker. Da gabs Honig genug und auch Wachs in Fülle. Das Wasser womit man dann nach den auspressen des Honigs die Leinenbeutel auswaschte, machten wir Hummelwasser und die ausgepressten Rückstände der Wachswaben, Wifkugeln. Vieles wäre noch zu erzählen, ich will aber auch noch vom Thanner Großvater und der Großmutter erzählen.
Also die Eltern meiner Mutter waren ganz besonders gute Menschen mir gegenüber. Einmal brachte mir’s Christkindl so eine graue, aus Gips und Papiermehl hergestellte Goaß. Wahrscheinlich hatten die beiden als das Christkindl, diese Goaß spendiert. Wenn man die auf den Bauch drückte, machte sie mäh, wie auch heute viele Spielsachen. Ich nahm sie mit nach Thann, damit sie Großvater auch sehen konnte. Doch als ich zur Stubentüre in Thann hineinging, blieb ich an etwas hängen, die Goaß fiel mir aus der Hand und lag in Scherben auf den Stubenboden. Mein Jammer war natürlich groß, doch Großvater wusste zu helfen. Ich bekam eine Uhrkette und einen richtigen Polizeisäbel und das alles trotz Einspruch von Wastl und Baptist. Großvater hatte fast jedes Mal, sooft ich nach Thann kam, die Füße in der Bratröhre im Ofen stecken und eine Zipfelmütze auf. Auch hatten sie in Thann einen Anterer, also ein Entenmännchen mit einem fast faustgroßen, grünblauen Schopf auf dem Kopfe. Sobald mich dieser sah, kam er schon geflogen und biss mich und schlug mich mit den Flügeln, da half nichts anders als entweder davonlaufen oder den Anterer einsperren. Einmal holten meine Eltern auf der Holzwiese im Grund hinten Gras. Da sagte meine Mutter: Michl lauf zur Thanner Ahn’l da kriegst a‘ paar Nudl, schnell lief ich nach Thann. Großmutter war allein daheim und deshalb war sie noch freigebiger als sie so schon war. In ein Säcklein füllte sie mir etwa fünf Pfund Mehl, (schönes Weizenmehl) und steckte dazu ins Mehl ein 50 Pfennigstück, eine Nudel dazu in die Hand und noch etliche dazu in die Tasche. Die Nudl mit dem eingebackenem Fuchzgerl bekam ausgerechnet ich zufällig und weil ich das Prinzl net durchbeißen konnte, sah ich nach und entdeckte das eingebackene Fuchzgerl. Großvater hatte in der Stube so eine Schusterbank mit dreibeinigem Hocker. Einmal mussten wir, Georg Ebenhöch und ich in die Schmiede nach Thann gehen. Wir kamen natürlich auch zum Großvater. Der, Girgl hinein in die Stube und auf den dreibeinigen Hocker nauf gesetzt, der fiel aber um und bum’s lag der Girgl schon drunt – au. Da meinte Großvater: Bevor ma a‘ Schuasta wird muaß ma’s Hockl sitzen zerrt lerna. So habe ich meine Großeltern väterlicher – wie mütterlicherseits in bester Erinnerung.
Wenn ich meine Jugendzeit etwa wie einen Film an meinem geistigem Auge vorüberziehen lasse, dann muss ich feststellen, dass es der liebe Herrgott besonders gut mit mir meinte und dass ich wirklich einen überaus guten Schutzengel hatte, denn sonst wäre ich längst schon tot. Da machten wir zum Beispiel in Hexenagger im zeitigen Frühjahr 1909 eine Brücke, jeden Tag in der Früh um vier Uhr musste ich schon auf den Weg sein, denn von Altmühlmünster nach Hexenagger sind gutding zwei Stunden Fußmarsch. Damals wurde um sechs Uhr in der Früh angefangen und nicht erst um sieben Uhr und es wurde auch bis sechs Uhr abends gearbeitet, es gab kein freies Wochenende, sondern eine sechzig Stunden Woche. So etwa sechs Wochen lang ging ich dabei eben nach Hexenagger. Am letzten Arbeitstag nahm ich mein Fahrrad, das war natürlich auch schon ein altes, als ich es kaufte und ohne Bremse und ohne Freilauf mit Rücktrittbremse, die kannte man damals noch sehr wenig bei uns., Mein Lehrmeister A. Arnhofer von Riedenburg befahl mir, nach Feierabend einen 25 Pfund schweren Betonstampfer nach Riedenburg zu bringen, was ich natürlich auch tat. Den Betonstampfer hatte ich im Rucksack und bei der Neumühle kam mir ein hochbeladenes Fuhrwerk mit Rollholz entgegen. Der Bauer fuhr aber in seiner Fahrtrichtung viel zu weit links und damit wurde mir der Weg zum ausweichen versperrt.
Durch die Wucht des Betonstampfers wurde ich vom hinteren Wagenrad erfasst, der schwer beladene Wagen ging über mein Fahrrad hinweg, der Rahmenbau und die Gabel waren dreimal abgebrochen, die Luftschläuche sprangen aus den Felgen und ich selber hatte mit knapper Not noch die Kipf (Rung) erwischt und meinen Schutzengel habe ich es zu verdanken, dass der Wagen nicht über mich hinwegrollte. Wäre ich etwa mit der Hose am Pedal oder dergleichen hängen geblieben, dann wäre ich unrettbar verloren gewesen. Die Geschichte in diesem Zusammenhang ist aber noch nicht aus. Die Fahrradmäntel und die beiden Schläuche waren neu und soviel wie ungebraucht, kaufte mir bald darauf der Maurer Ludwig Eichinger aus Maierhofen bei Painten ab. Zwei Mäntel und zwei Schläuche zusammen um 5.- Mark und bezahlte sie mir nicht. Das war beim Schulhausneubau in Neuessing.
Des Öfteren ersuchte ich ihn, er möge doch so gütig sein und mir die paar Mark doch geben. Eines Tages bemerkte ich, dass Eichinger einen sechschüssigen Trommelrevolver bei sich hatte. Ich gab nun darauf Acht, wohin er seine Joppe auf der Baustelle ablegte. Es war an einem Samstag, da nahm ich um ein Faustpfand für mein Geld zu haben, den Revolver an mich und steckte ihn, in die Tasche. Als ich oberhalb Riedenburg auf der Harlander Viehweide ging, es dunkelte schon, der Vollmond ging gerade über der Rosenburg auf, dachte ich an den Revolver. In der Meinung, er sei nicht geladen, hielt ich ihn vors Gesicht um zu sehen ob sich auch die Trommel, (das ist das Magazin für die Patronen) schon dreht. Fünfmal zog ich am ‚Abzug und schaute dabei in den Lauf. Wie von unsichtbarer Macht gehindert, musste ich jetzt den Lauf des Revolvers senkrecht in die Höhe richten und abziehen und es krachte ein Schuss. Martin Gerstner war bei mir, wir waren zunächst sprachlos vor Schreck und nun erkannten wir erst die Gefahr in der ich mich befunden hatte. Ist das nun Zufall oder doch das Wirken eines Schutzengels? Meine liebe Mutter hatte mir schon als Kind gelernt, jeden Tag zu meinem hl. Schutzengel zu beten und das tu ich heute noch, auch als alter Mann und ich bin immer gut gefahren dabei. Auf diesem Gebiet habe ich noch viel zu erzählen. Im Jahre 1909 als das Essinger Schulhaus fertig war, kauften wir eine Villa für Johann Schneider, ehemaliger Erbauer und Besitzer der St. Anna Brauerei in Riedenburg. Gleichzeitig wurde auch der große Stadel am Volksfestplatz erbaut. Arnhofer sagte zu mir, ich soll an diesem Stadel das Baugerüst abmontieren, ich arbeitete oben beim Schneiderschen Villenbau. Nun ging ich den neuen Auftrag auszuführen. Ein jedenfalls recht blöder Kerl hatte an dem fraglichen Gerüst einen Bolzen angebracht, ehe ihn zu sichern, das heißt, zu verklammern oder anzubinden. Als ich den letzten Laden vom Gerüst herunter geschoben hatte, fiel der Bolzen um, dabei riss auch eine Gerüstkette aus der Halterung, dadurch verlor ich das Gleichgewicht und stürzte vom obersten Gerüst herab auf den Erdboden. Des wäre schließlich noch nicht so schlimm gewesen, nun fielen mir aber auch noch mehrere Gerüstriegel von etwa 2,50 Meter Länge auf den Schädel und ich blutete aus Mund und Nase und hatte ein paar Löcher im Kopf. Ganz benommen ging ich an’s Altmühlufer und wusch mir das Blut ab. Da kam die Posthaltertochter Rosa in einem Kahn die Altmühl herunter gefahren. Sie wollte mich sofort ins Krankenhaus bringen, doch ich wehrte ab und sagte nur, wenn sie mir helfen wollte, dann soll sie mich bis zu den Baumstämmen am Lagerplatz begleiten, dort wollte ich eine halbe Stunde rasten und dann weiterarbeiten, was ich auch tat. Im Krankenhaus hätte ich vielleicht einen ganzen Wochenlohn von 9.- Mark versäumt. So zimperlich war ich nicht. Auch hier hatte ich einen Schutzengel, trotz allem. Es hätte sehr leicht sein können, dass mich ein nachrollender Gerüstriegel erschlagen hätte. Ein andermal arbeiteten wir in Schambach, da wurde die Kirche samt Turm eingerüstet. Es reichten die Gerüststricke nicht und ich sollte in Riedenburg welche holen. Ich nahm das nächstbeste Fahrrad und fuhr nach Riedenburg. Als ich in Höhe der sogenannten Schneemühle fuhr, kam drüben der Zug angebraust. Auf einmal packte mich die wilde Lust, ich wollte wissen, ob ich ebenso schnell wie der Zug fahren könne. Keinen Augenblick dachte ich daran, dass ich ja das Bahngleis überqueren musste oder andernfalls in den Zug hineinfahre. Der Lokomotivführer sah mich und die Maschine pfiff und läutete aus Leibeskräften. Ich kurbelte weiter. Einen Meter vor der Lokomotive fuhr ich übers Gleis, dabei wurde ich jedenfalls noch vom Trittbrett der Maschine erfasst und zu Boden gerissen. In einer Dampfwolke eingehüllt kam ich zu mir und erst jetzt kam mir mein, furchtbarer Leichtsinn zum Bewusstsein. Heute wäre augenblicklich die Polizei am Platz und eine notarische Gefängnisstrafe wegen Transportgefährdung und dergleichen wäre sicher. Es waren also, nicht immer andere Schuld, ich selber muss oft an meine Brust schlagen und bekennen: Meine Schuld, meine Schuld, meine über-große Schuld. Wahrhaftig, ich brauchte einen besonders guten Schutzengel. Nur noch zwei Fälle will ich berichten. Im Jahre 1910 wurde das Unterkrieger – Brauhaus gebaut. Ich ging gerade unten am Gerüst vorbei, schreit der Michl Dirl von droben herunter: He Schaumann, fang den Kübel (obwohl der Aufzug daneben war) Ich meinte, der Kübel sei leer und ging hin. Ich sagte, also los und er ließ los. Der Kübel war aber gutding halbvoll Kalkweiß. Durch die Wucht des herabsausenden Kübels wurde ich zu Boden gerissen und der Inhalt von Kalkweiß spritzte mir ins Gesicht. Ein furchtbarer Schlag des Kübelreifens traf mich auch an beiden Knien.
Fast acht Tage sah ich alles nur wie durch einen grauen Nebel. Sehr leicht hätte ich vollständig erblinden können und mit steifen Füßen auch noch ein Krüppel sein dazu. Ich habe allen Grund, dem lieben Herrgott jederzeit zu danken, dass er mich gesund erhalten hat.
Der Schreiner Alois, wir sagten kurz, der Alisl und ich, wir gingen an einen Sonntag nach dem Essen zum baden. Als wir ins Wasser stiegen sagte ich: Geh Alisl steing ma so weit eine, wiea ma könna. Der Alisl war bereit dazu, obwohl ich wusste, dass er nicht schwimmen kann. (An der gleichen Stelle ist ein Sohn vom Templer in Zell und auch der Michael Schlagbauer von Altmühlmünster ertrunken). Doch das konnte uns nicht hindern diese Dummheit zu machen. Schritt für Schritt stiegen wir weiter, bis wir auf einmal ins Leere traten. Blitzartig schlang sich der Alisl herum (wir hatten nämlich Arm in Arm unseren Versuch begonnen) und schlug mir seine Füße um die Hüften, meinen Hals umklammerte er mit beiden Armen, so dass er wirklich wie ein übergroßer Kropf an meiner Brust hing. Dadurch waren zunächst auch meine Arme eingeklemmt und für mich allein wäre diese Situation nicht schlimm gewesen, aber der Alisl hing sich eben wie ein Ertrinkender aus Leibeskräften an mich. Wir tauchten nochmal auf, doch kam ich nicht richtig hoch genug, um einwandfrei Luft zu schöpfen. Es half alles strecken nichts, mein Mund war gleich der Wasserlinie, dadurch schlürfte ich auch richtig Wasser und wir versanken endgültig. Als wir das erste Mal auftauchten, hatten wir uns schon halb herumgedreht, so dass wir gegen Süden schauten und ich wurde dabei von der Sonne, die sich auf den Wasserwellen spiegelte geblendet, sodass ich nach den endgültigem Versinken, zunächst ein Farbenspiel sah, welches aussah wie runde Bieruntersetzer zunächst grün, dann violett und zuletzt schwarz. Jetzt erst kam mir zum Bewusstsein, dass wir ja in der Altmühl drin liegen und im Begriffe sind zu ertrinken. Heiliger Schutzengel hilf uns, wir dersaufen ja. Ein gewaltiger Ruck, meinen linken Arm brachte dieses von der Umklammerung frei, alles war ringsherum stockfinster, wegen der Wassertiefe, doch auf einmal spürte ich Boden unter den Füßen. Sehr, sehr vorsichtig prüfte ich, ob es keine unterschwemmte Kiesbank ist, doch der Boden hielt. Nun tastete ich vorwärts, allmählich, wurde das Wasser grün, also ein Zeichen das es aufwärts ging und Luft herein schimmerte. Nur zu, in dieser Richtung und auf einmal war ich mit den Kopf aus dem Wasser und konnte nach Herzenslust schnaufen. Ich sagte zum Alisl: Alisl lass aus wir sind ja schon heraußen, doch der gute Alisl hatte schon so viel Wasser gesoffen, dass er darauf nicht reagierte. Ich trug ihn also bis an das Ufer, setzte ihn dort an die Altmühlböschung, machte mich von der Umklammerung frei und schubste ihn endgültig an’s Trockene. Jetzt war ich frei und konnte aus dem Wasser steigen. Kannst du dir lieber Leser, liebe Leserin vorstellen wie mir zu Mute war, als ich dem sicheren Tod, der mich von allen Seiten bereits umklammert hatte, entronnen war? War es blinder Zufall oder war es doch das Wirken meines hl. Schutzengels?
Im sechsten Abschnitt weiter aber werde ich den Beweis erbringen, vom Walten meines hl. Schutzengels und dir vom ersten Weltkrieg 1914 – 1918 einiges erzählen.
Im Jahre 1912 ging ich nach Nürnberg, um dort meine Kenntnisse in der Mauerei zu ergänzen, beziehungsweise zu vermehren. Ich hatte am 11. Oktober 1911 in Riedenburg meine Gesellenprüfung mit der Note I bestanden. Der damalige Bezirksamtmann Eymann hatte für mich dabei eine besondere Belobigung, indem er sagte: Mein lieber junger Mann solltest du jemals meiner Hilfe bedürfen, dann steht dir meine Türe jederzeit offen. Ich dankte ihm für seine gütigen, aufmerksamen Worte. (Das Arbeitsamt Nürnberg steht auf dem Marktplatz).
Ich hatte in Altmühlmünster noch beim Abbruch des alten Kirchengiebels dazugeholfen und weil damals noch keine Lastautos für die Anfuhr von Donaukies zur Verfügung standen, wurde der Einfachheit halber, der benötigte Schotter zum betonieren aus Bruchsteinen geklopft, Martin Gerstner, Johann Schlagbauer und ich bekamen den Auftrag beim Bäcker drüben (also unserem jetzigen Anwesen) solchen Steinschotter herzurichten. Wir arbeiteten fünf Tage, also fünfzig Stunden, davon drei Tage für Abräumung und zwei Tage Schotter schlagen. Der geschlagene Schotter machte 12.60 Mark, sodass jeder von uns dreien, für fünf Tage harte Arbeit 4.20 Mark verdiente. Ich sagte zu Arnhofer: wir haben ja den Steinbruch auch noch herrichten müssen und er müsse diese Arbeit doch auch bezahlen. Er bezahlte diese Arbeit aber nicht und das war die Veranlassung, dass ich bei Arnhofer die Arbeit niederlegte.
In Nürnberg angekommen ging ich also aufs Arbeitsamt um Arbeitsnachweis. Da wurden mir mehrere Baufirmen genannt, welche Maurer einstellen. Von jeden Chef wurde ich gefragt ob ich auch orgasmisch bin, also beim roten S.P.D. Verband sei. Ich war nicht dabei und ich lehnte es auch ab, mich organisieren zu lassen. Also konnte ich keine Arbeit finden und ich fuhr zurück nach Beilngries, da wurde die neue Pfarrkirche gebaut und auch der neue Pfarrhof. Niemand fragte da nach einer Organisation, ich verdiente gut, hatte im Tag fünf Mark raus, 1912 ein Heidengeld war und brauchte meinen Entschluss, bei Arnhofer aufgehört zu haben, nicht bereuen.
Ich arbeitete bei der Firma Hundshammer in Beilngries und als ich 1915 im Mai einmal auf Urlaub kam und in Beilngries 1 1/2 Stunden auf die Weiterfahrt des Zuges nach Dietfurt warten musste, ging ich zur Brauerei Schattenhofer, da war der Anton Waldhier, Wirtschaftspächter und wir verkehrten dort regelmäßig, weil 1912 auch die Brauerei Schattenhofer neu gebaut wurde. Als ich nun der Stadt zustrebte stand grad der Herr Gregor Hundshammer, also mein ehemaliger Chef am Gartenzaun.
Ich grüßte ihn und fragte ob er mich etwa nicht mehr kenne. Gseng meinte er, habe ich dich schon, aber ich weiß nicht mehr wo, da sagte ich ihm, das ich der Schaumann bin, ein Maurer und diesen Schornstein da droben, den Brauereikamin habe ich verfugt und so weiter. Ah, der Schaumann, ja jetzt kenn i di wieder. Halt aus an Augenblick, ich bin glei wieder do. Er brachte nun eine volle Zigarrenschachtel und sagte: da nimm, ich nahm eine, nimm halt mehrere, ich nahm eine zweite, da griff er hinein und hatte doch mindestens zehn Stück, einen drei Mark Taler dazu und jetzt kaufst da a‘ Maß, sagte er und wennst a’mal wieder arbeiten kannst, derfst blos kumma. Ich dankte und ging zu Anton Waldhier, der zahlte meine zwei Halbe, das heißt, er ließ sich diese zwei halbe Bier von mir nicht bezahlen.
Im Jahre 1913 fing ich dann als selbstständiger Unternehmer an. Als erste Arbeit machte ich bei Uttlinger in Zell einen Stallbau mit oberen Zimmer und hatte in der Folgezeit fast das ganze Jahr bei verschiedenen Bauern zu tun.
Da ging ich einmal wieder nach Zell, die Bäcker Anna wie sie allgemein genannt wurde (also meine jetzige Frau und Mutter meiner, neun Kinder) mähte droben auf der Bergwiese. Ich grüßte und sagte: Da wird dir aber noch warm werden, bis du es weg hast. Sie lachte nur, wischte sich einen Augenblick lang den Schweiß ab und sagte: Das sei für sie nicht so schlimm, allerdings an Maurer kam’s härter o‘. Ich ging weiter und war etwas nachdenklich. Das Wort, es sei nicht so schlimm für sie, hatte mich sonderbar erfasst und ich musste immer wieder daran denken. So eine könntest du auch einmal brauchen als Frau, dachte ich mir, die es wagt allein eine Wiese zu mähen, welche immerhin 80 Dezimal groß war und dazu noch lacht, als ob nichts wär. Keine Spur von Jammer oder Klage. Herrgott, das müsste gelingen, sie als Frau heimzuführen. Sie war damals 19 Jahre und ich 23, also hieß es warten und nichts zu übereilen. Dieses Warten sollte aber noch sechs Jahre dauern und du mein lieber Leser, liebe Leserin, musst dich auch noch ein kleinwenig gedulden, bis ich dir der Reihe nach meine erste Enttäuschung und schließlich dann doch noch einmal Erfolg, als glücklicher Gewinner berichten kann.
Im Jahre 1913 sah ich auch die ersten Flieger, das heißt Flugzeuge. Es waren zwei Doppeldecker, also mit zwei Tragflächen übereinander. Der Rumpf eines jeden war offenes Gitterwerk und die Piloten sah man offen drin sitzen. Sie flogen ziemlich nah nebeneinander und kaum 100 Meter hoch, so dass man sie recht gut sah. Das war natürlich ein Ereignis, an welches allerhand Vermutungen geknüpft wurden. Es hieß ja damals bereits schon: Kracha muss a‘ mal, diejenigen, die dieses Wort immer am lautesten schrieen, wussten ja eigentlich nichts, wie und wo und auf welche Art es kracha soll. Die vernünftigen Menschen jedoch spürten dabei eine ungewisse Schwüle, wie einen bleiernen Alpdruck. Die bürgerliche Sattheit jedoch, wollte alles Gerede abtun mit der Bemerkung: Ja, soll no oana ofanga.
Ich habe bereits den Neubau von unserer Pfarrkirche in Altmühlmünster einmal kurz erwähnt. Im nachstehenden will ich nun berichten, was da eigentlich alles gemacht wurde. Der Haupteingang war noch von der Orgelempore überdeckt. Die Stiege zur Empore war gleich linker Hand, sodass die Kirchentüre am ersten Stufen anstieß. Zwei Kantholzsäulen trugen die Empore samt der alten Orgel. Diese war ein wirkliches Ungetüm und Herr Hauptlehrer Rudolf Gotsammer meisterte sie trotz den Mauslöchern und den alten Windbeuteltreter, Peter Paul manchen Schweißtropfen abverlangten. Nur gerade dann, wenn der Peter sowieso kaum mehr Wind genug machen konnte, zog der gute Schulmeister alle Register zu einem nimmer enden wollenden Amen, Amen und wenn der Peter meinte es sei genug mit dem Amen, kam nochmal eins, aber inzwischen hatte der Peter schon gestreikt, aus eigener Luft und die alte Königin, der Musikinstrumente gab nur noch einen quietschenden Ton von sich, sodass der Herr Kantor einen wütenden Blick nach dem Peter warf. Das half freilich auch nichts mehr und sie kannten sich schon, der Peter und sein Meister.
An der Giebelfront waren drei Gräberreihen, diese wurden ausgehoben, die Überreste an Gebeinen, gesammelt und gemeinsam bestattet, der gewonnene Platz überbaut, der Turm und das Turmgewölbe wurde ganz neu gebaut, der Sakristeiausgang war nach vorne verlegt, der war nämlich am ersten Seitenaltar, auf der Frauenseite, unmittelbar vor der Kanzel. Auf dem Dach des Presbyteriums saß ein kleiner Dachreiterturm, das Langhaus, also das Kirchendach war mit schwarzem Schieferplatten gedeckt, wie noch die alte Sankt Anna Kapelle, welche 1918 von der damaligen Blauhofbäurin Josefa Meier, als Kriegergedächtniskapelle ausgebaut wurde und wo auch die sterblichen Überreste ihres Sohnes Johann Meier in einer unterhalb des Kapellenpflasters ausgebauten Gruft ruhen.
In dieser Gruft ruhen auch die sterblichen Überreste von Josef Gallenberger, eines Sohnes vom sogenannten Jakelbauern in St. Gregor, deren Geschlecht mit diesem ihren einzigen Sohn ausstarb.
Der am 8. September 1908 Stadtpfarrer nach Vilseck in der Oberpfalz berufenen Pfarrer und Schulinspektor Hochw. Herr Georg Schnabl hatte während seiner priesterlichen Wirksamkeit in Altmühlmünster den Kirchenbauverein gegründet, dieser Kirchenbauverein wurde dann von dem 1908 nach Altmühlmünster berufenen Pfarrer Herrn Rupert Schöfthaler weiter geführt und allmonatlich war auch eine regelmäßige, wiederkehrende Kirchensammlung für diesen Verein abgehalten.
Doch was hätte mit den Erträgnissen, dieser Sammlungen schon großes geleistet werden können, wo nur Spenden von Fünferln und bestenfalls Zehnerln eingelegt wurden, da konnte auch das Markstückl vom alten Peterbauern aus Deising nicht entscheidend helfen, obwohl er dieses Markstückl schon während des Verkündens, dass heute Sammlung für den Kirchenbauverein sei, aus seinen ledernen Zuggeldbeutels nahm. Diesen Zuggeldbeutel stellte er dann mit einem kräftig, hörbaren Knack auf die Betbank und rumorte da eine Zeitlang herum, zwischen den Talern und Goldstückln, wie weiland, meine Großmutter im Haselnußsäcklein, welches ich bereits beschrieben habe. Und wenn dann der alte Johann, der damalige Mesner zur Saktristaitür heraus kam, und die hochherzigen Spenden in Empfang zu nehmen, stand der alte Peterbauer, Michael Lindl schon auf und hielt sein glücklich, zwischen den Talern gefundenes Markstückl in die Höh und schwenkte es rüber und rüber, damit ihn der Mesner nicht etwa übersah. Zur Ehre des Peterbauernvaters sei noch erwähnt, dass er tatsächlich viel für unsere Pfarrkirche getan hat. So kaufte er aus eigener Tasche, den heute noch im Gebrauch befindlichen Baldachin für die Fronleichnamprozession, den schönen Rauchmantel, der auch heute noch an Festtagen benützt wird und dazu das mit Goldstickerei besetzte Segensvelum. Wo findet sich heutzutage jemand der uneigennützig solche Opfer bringt? Dem heutigen Geldwert entsprechend stellt dieses mindestens einen Wert von 20- bis 25.000.- Mark dar.
Inzwischen waren die Erträgnisse dieser Sammlungen auf rund 1.500.- Mark angewachsen. Herr Pfarrer Schöfthaler musste aus Gesundheitsgründen auf die Pfarrei Altmühlmünster verzichten, denn damals gehörte auch Arnsdorf noch zur Pfarrei, ebenso Blauhof. Da konnte man keinen kranken Pfarrer brauchen, weil doch Sommer, wie Winter eine Wochenmesse in Arnsdorf gelesen werden musste. In Thann war damals Herr Anton Dirscherl, Egositus. Thann gehörte ja auch zur Pfarrei Altmühlmünster und Herr Egositus Dirscherl wurde anfangs 1911 Pfarrer von Altmühlmünster. Damit trat eine Wende in die Kirchenbaugeschichte in Altmühlmünster ein., Pfarrer Dirscherl zugleich zuständiger Pfarrer von Thann, holte sich bei der Regierung die Genehmigung, die 100.000.- Mark, des von der Filialkirche in Thann nicht benötigten, dortigen Kirchenvermögens zum Erweiterungsbau der Pfarrkirche Altmühlmünster, verwenden zu dürfen. Drei, vier Pläne (Entwürfe) wurden erstellt, bis Herrn Pfarrer Dirscherl einer zusagte. Diese Pläne sind heute noch vorhanden. Im Frühjahr 1912 ging es dann mit dem Kirchenbau los. Alles wunderte sich, wieso es jetzt auf einmal möglich war, dass die Kirche gebaut werden konnte und dazu noch ohne Kirchenbauvereinssammlungen, wo doch jeder glaubte, das ohne seine Fünferl- und Zehnerlopfer es einfach nicht möglich sei, überhaupt damit anzufangen. Als man dann auch noch den Dachreiterturm kurzerhand herunter bugsierte und die beiden Glocken auch noch herunter warf, (das vom ehemaligen Kloster noch herstammende Glöckerl blieb droben) da war des Raunens kein Ende und nie und nimmer hätte man geglaubt, dass die Sammlungen zum Kirchenbauverein soviel erbracht hätten. Von dem Thanner Kirchenvermögen wusste ja niemand etwas. Als dann zu guterletzt auch noch ein eisener Glockenstuhl hochgezogen wurde und ein außerordentlich schönes Geläute von der Glockengießerei Hamm in Regensburg einmontiert wurde, kannte die Freude keine Grenzen mehr. Am Kirchweihsonntag 1913 läuteten die Glocken zum ersten Festgottesdienst. Viele Menschen weinten vor Rührung. Jetzt war es soweit, dass der alte Windbeuteltreter Peter Paul auch noch die neue Orgel mit neuem Blasebalg bedienen durfte. Resigniert stellte er fest: Jetzt weils ‚a so bald nimma geht, jetzt gang’s erst schö.
Im Jahre 1900 war es, da machte sich in unserem sonst so stillen, von anmutigen Bergen umgebenen Dörflein Altmühlmünster eine große, freudige Erregung breit. Behaupteten die kritisch über ihre Brillen blickende Sachverständigen Männer allen Ernstes, es sei eine sogar sehr ergiebige Petroleumquelle gefunden worden und dementsprechend war auch der Eifer der gesamten Einwohnerschaft von Altmühlmünster darauf gerüstet, den ergiebigen Ausfluss dieses kostbaren Minerals zu finden. Ich war selber mit dabei als mit einem etwa vier Meter langen Bohrer, welcher auch zur Herstellung der hölzernen Brunnenrohre diente, (seinerzeit wurden eben die Brunnenrohre aus Holz gefertigt) tiefe Bohrlöcher in die Erde getrieben wurden. Ich saß oben auf dem Bohrerheft und bewirkte dadurch ein schnelleres Vorwärtskommen auf die gewünschte Tiefe. Starke Männerfäuste drehten den Bohrer und mit viel Mühe wurden gewaltige Erdklumpen herausgezogen und das dabei aufsteigende, bläulich schimmernde Wasser wurde teils begeistert teils aber auch skeptisch beurteilt.
Als sich aber die Münsterer mehrere Tage ehrlich geschunden hatten und auch der letzte Versuch eines biederen Handwerksmeisters, der das bisher gewonnene ÖI auf Hobelspäne anzünden wollte, misslang, da ging der über Altmühlmünster aufgegangene Hoffnungsstern wieder unter und die bereits aufgebauschten Erwägungen, was wohl mit dem vielen Geld, das jetzt durch das Öl nach Altmühlmünster kommen sollte wohl anzufangen sei, bedurfte keiner weiteren Erörterung mehr. Still und bescheiden, wie sie sind die Münsterer, gingen sie nach Hause, man redete von der Angelegenheit nicht mehr und so wäre schließlich alles in Vergessenheit geraten.
Wie es aber einmal ist, dass derjenige, der den Schaden hat, auch für den Spott nicht zu sorgen braucht, so hat auch damals ein witziger Nachbardörfler (es war der Josef Birkl aus Untereggersberg) ein kleines Spottliedlein verfasst, das lautet:
A’z Minsta is finsta seit uralter Zeit, a‘ traurigs Los ham de gwunna,
doch tröst’n se jeza de Minstr’a Leit, a‘ Petroleumquelle hams jetzt gfunna.
Beim Bräu seina Schupfa, beim Gigl sein Haus, da Iaufn’s mit Luba und Geltn,
da kumt’s Petroleum kugeldick raus, im Winta, bei größter Kältn.
Dem Allwelt drauß’n is d‘ Nos’n aufgschwoll’n ob’s oana glaubt oda net,
des kommt vom viel’n Petroleum hol’n, den hot’s a scho lang allweil gschmeckt.
Und da Schreiner do drunt, hot’s af’n Schratn naf gschütt jaja des hot da Schreiner scho g’macht,
de Schratn ham brunna und ’s Ö1 is o’glescht‘, da hätt’ns sie sich bald allzam tot glacht.
Ja Manna sagt da Gerstner, da uralt Wirt, warum laßt’s den des Öl davo lafa , füllt’s halt enga Geltn und Kanna voll o‘ es kint’s es ja später vokaafa.
Ja wißt’s scho, moant da Schaumann wos i tat damit, wenn bei mir herunt’n s Öl a aso laafat,
meine Flöh, die Schuld’n tat i fanga und nu wos dazu. a‘ Wies’n und an Acker glei kaafa.
Und beim Elias drunt’n ham’s t’Zaunstecka bog’n, des is scho unent,
a‘ so ham’s az Minsta über’s Petroleum glong, ja wer halt de Minstra kennt.
Schließlich finde ich es auch für wert, dieses der Nachwelt zu erhalten. Vieles, vieles wäre an Jugenderinnerungen noch zu erzählen, doch wie sagt ein altes Sprichwort:
Des Witzes kürze, ist des Witzes Würze.
Aber trotzdem noch eins.
Im Jahre 1903 wurde in Riedenburg das jetzige Amtsgerichtsgebäude errichtet. Das alte hatte ein Walmdach, wie das Rathaus, jedoch ohne Turm und mit längerem First. Dieses alte Amtsgerichtsgebäude war schon längst nicht mehr Zweckentsprechend, so dass die Geschäftsräume in die Rosenburg hinauf verlegt wurden. Auch das Finanzamt (früher hieß es Rentamt) war in den Räumen der Rosenburg untergebracht. Als nun die Aufbauarbeiten so zügig fortgeschritten, war auch ein Aufzug gegenüber dem Lederbräustadel, (der jetzigen Hypotheken und Wechselbank) errichtet. In diesem Aufzug konnten zwei beladene Schubkarren mit Ziegelsteinen oder eine entsprechende Menge Mörtel hochgezogen werden. Als Antriebskraft wurden zwei Zugochsen verwendet, das Aufzugseil wurde herunten durch eine entsprechende befestigte Leitrolle geführt und die Ochsen der Brücke zu, von einem Fuhrmann angetrieben. War nun der Aufzug oben angelangt, wurde er geführt, herumgeschwenkt und entladen. Derweil trieb der Fuhrmann seine Ochsen zurück und der Aufzug war inzwischen mit zwei leeren Schubkarren schon wieder herunten und neu beladen. Das Spiel konnte von Neuen beginnen. Wir Buben schauten dabei genau zu, mit einem entschlossenen Ruck musste man sich losreißen, um wieder heimzukommen. Auch weiß ich noch, dass das heutige Bahnhofsviertel der Stadt Riedenburg nur mit dem Postkeller, dem Wenderer (Schreibname Haag) und dem Rottmeisterhaus (Schreibname Betz) bebaut war. An der Stelle wo das Postamtgebäude steht, stand seinerzeit ein Stadel, dem Wagnermeister Birntaler gehörig. Wo heute das Kaufhaus Wöhrl ist, war der Kramladen Kobl, beim Konditor Ortner, der Hirl und drauf der Stürzer, beim Feinkostgeschäft Prasch, der Oberstricker J. Rosskopf und so weiter. Jetzt aber Schluss mit den Jugenderinnerungen.